1/32 Hallstattzeitlicher Herrenhof

Begonnen von Hans, 16. März 2009, 23:18:21

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Hans

Gestern (15.03.2009) wurde im Naturhistorischen Museum in Nürnberg die vorgeschichtliche Abteilung offiziell um den Abschnitt "Eisenzeit" erweitert und der Neuaufbau dieser Abteilung damit abgeschlossen. Bei uns im Museum ist es üblich, dass jeder Zeitabschnitt ein Modell zu Thema 'Siedlung' aufweist. Für die Eisenzeit ist es nun ein hallstattzeitlicher sog. 'Herrenhof', ca 700 v Chr. Grundlage war ein Befund aus der Nähe von Greding /Bayern. Die Größe und Lage der Gebäude geht klar aus dem Befund hervor, nicht jedoch die Verwendung dieser Gebäude. Sehr eigentümlich war die sehr enge Aufeinanderfolge der Pfosten. Eine solchen engen Stand der Pfosten ist für klassische Pfosten-Häuser mit Wänden aus mit Lehm verputzten Geflecht weder nötig noch weit verbreitet. Sehr charakteristisch allerdings ist dieser Abstand für Fachwerkgebäude ohne gemauertes Fundament. Nach langen Diskussion haben wir uns dann entschieden, diesen Befund als Fachwerkgebäude darzustellen. Die komplette Realisierung der Anlage inkl. der Gebäude übernahm mein Bruder Thomas. Es enstand wie immer auf einer MDF-Platte mit Styrodur-Aufbau, da der Graben eingetieft werden musste. Die Umfassung aus Holzbalken enstand aus Balsa, wobei ein Plankenschneider aus dem Schiffsmodellbau sehr gute Dienste leistete. Bei 1000 haben wir aufgehört zu zählen.

Die Häuser haben einen Innenkern aus kartonkaschierten Schaumstoffplatten. Darauf dann das Fachwerk aus div. Hölzern und die Gefache mit Acrylmasse ausgefacht. Das Schindeldach enstand aus Balsa. Dünneres Material brach ständig, Furnierholz war zu aufwendig.

Der Baum wurde aus Wurzeln kombiniert und mit Heki-Material bespannt. Aus Gründen der Haltbarkeit verwenden wir ausschließlich Kunststoffe zum Beflocken etc.

Der Wagen war dann Teamwork zwischen Thomas und mir, die Figuren dann mein Job. Sie enstanden auf Basis der Adams und Evas von Preiser bzw einer Elastolin-Figur. Die Pferde sind Abgüsse von Timpo-Pferden, sie haben die richtige Größe. Alles weitere entstand aus Tamiya-Epoxy-Masse, die schnellhärtende Version.



Bemalt wurde des Tempos wegen mit Vallejo. Leider kam mir meine Mischpalette aus Acryl abhanden, so musste ich mir schnell eine basteln: Der klare Teil einer CD-Hülle, da aufgelegt ein (nass gehaltenes) Küchentuch, darüber Backpapier. Die Vallejos trocknen so nicht und man hat erheblich mehr Zeit, mit seinen Mischungen zu arbeiten.



Doch nun endlich zum Gesamtmodell:













Ceterum censeo: Die Lackierung ist wichtiger

Primoz

Wieder einmal sehr beeindruckend. Nur die Dame in Blau sieht ein bissel zu sehr nach "Hallstatt's Next Top Model" aus (ich meine von der Körperhaltung und vom Gesichtsausdruck her). Der "Eisenzeit-Ferrari", der auch die passende Farbe trägt, ist auch sehr interessant.

Kurz und gut: sehr sehr schön!  :klatsch:
Das Leben ist eine sexuell übertragbare unheilbare Krankheit mit tödlichem Ausgang

Bernd B.

Nein, ich erwähne jetzt nicht den Begriff "1950er-Pinup" ... :winken: ... aber was ich anmerken muss: Der Hof sieht einfach zu modern aus. Das ist (Achtung!) kein Fehler, sondern schlicht mein Eindruck, der sich durch immer wieder übertrieben "primitiv" dargestellte Gebäude erklärt. Lediglich zum Weiss der Wände hätte ich eine andere Meinung, das ist mit wirklich zu Persil-sauber. Aber insgesamt ein seeeeeehr schönes Modell.

Was ich aber auch sagen möchte: Es ist für mich zu aufgeräumt, zu abgezirkelt. Letzteres ergibt sich durch die Funde und die Vorgaben des Museums (Bitte bauen Sie 'mal auf 105x105 einen Hof 100x100!). Ersteres könnte man mit ein, zwei Nutztieren (Ziege am Pflock, streunender Hofhund) und etwas herumstehendem Werkzeug durchbrechen. So sieht es aus wie ein Fertighausprospekt, in dem die Idealfamilie den neuen Golf entlädt ...

Was ich sehr nett finde, man könnte fast meinen, das Paar nimmt den neuen Familienwagen in Empfang und sie sagt zu ihm "Aber ich wollte einen blauen!"

Hans

#3
Alles richtig erkannt Bernd, alles Absicht. Ernsthaft. Die Gebäude sind in voller Überlegung und zielgerichtet nicht 'primitivistisch' oder 'angejahrt' dargestellt. Von diesem Vorgeschichtsbild wollen wir weg, das war schon beim letzten Modell so. Sieh dir mal das Originalbild auf der Tafel auf dem ersten Foto an. Das ist ein schlichter Milch-Kalk-Verputz, ca 5 Jahre alt. Ohne Pflege. Schön weiss, nicht wahr?

Was das Getier anbelangt: Es gibt bei diesen sog. Herrenhöfen keinerlei Hinweise auf Tierhaltung. Es gibt hier nicht mal einen Stall für die Zugtiere, nur vorne links eine Art 'Remise' für den Wagen. Der Mann an den Pferden hat die Rösser von aussen gebracht.

Die Befunde dieser Herrenhöfe sind seltsam 'steril', im vollen Gegensatz zu nahezu jeder anderen vorgeschichtlichen Siedlung. Keine Vorratsgruben, keine ausserhäusigen Öfen, keinerlei Hinweis auf Handwerk.

Wir haben auch den freien Platz, auf dem jetzt der Baum steht, lange diskutiert. Es gäbe mehrere Interpretationsmöglichkeiten, aber diese sind zu spekulativ, um eine Aussage auch nur anzudeuten.

Eine Vermutung zB wäre, dass es sich zwar um den Sitz des Dorfobersten handelt, aber im Sinne einer mittelalterlichen Kirchenburg. Das grosse Gebäude muss nicht das Protzhaupthaus gewesen sein, sondern kann auch als zentrales Vorratsgebäude für eine verstreute Siedlungsgemeinschaft gedient haben. Dies würde zB das Nicht-Vorhanden-Sein von Vieh und Handwerk erklären. Aber, wie gesagt, nur eine Interpretation solcher Befunde.

H.
Ceterum censeo: Die Lackierung ist wichtiger

KlausH

Ich stelle mir die Recherche zu so einem Projekt wirklich sehr spannend vor. Da gehört wohl auch ein gehöriges Maß an Background-Wissen und Erfahrung dazu.

Was ihr wirklich draufhabt, ist das Ergebnis eurer Recherchen glaubhaft und ohne Effekthascherei umzusetzen. Wieder mal kann ich nur sagen: Klasse! :P

Schöne Grüße
Klaus

Wolf

#5
Was ich wirklich den Hammer finde sind der Wagen und die Beschläge der Pferde. Ganz toll.
Beindruckend ist vor allem dass das handgemacht ist, also sehr viel Scratchbau.

Womit sicherlich manche ihr Problem haben, sind die kräftigen Farben. Einfach weil man sich nicht vorstellen kann oder mag, dass es damals auch schon fabenfroh zuging. Also ist umdenken angesagt. Es heißt zwar "graue Vorzeit" aber grau war die bestimmt nicht.

Gut finde ich Bernds Ideen zur Auflockerung des Ganzen. Noch ein paar Nutztiere und /oder Alltagsgegenstände dier hier und da rumstehen. Vielleicht eine irgendwas kapputtes in einer Ecke.
Auf der anderen Seite kann ich mir aber vorstellen dass man es absichtlich so gehalten hat umd eben den Betrachter auf des wesentliche zu bringen, nämlich das Objekt als solches.

EDIT: Mein Anmerkungen haben sich teilweise schon durch das zwischenzeitliche Posting von Hans überholt

Bleibt dann "nur" einen einwandfreie und schöne Arbeit zu attestieren.
Wer Future hat, hat noch lange keine Zukunft

AnobiumPunctatum

Hans,

danke für die weiteren Erklärungen, damit haben sich meine Anmerkungen erledigt.

Immer wieder interessant Deinem Bruder und Dir über die Schulter zu schauen :P
:winken:  Christian

in der Werft: HMS Triton 1773, Maßstab 1/48

"Behandle jedes Bauteil, als ob es ein eigenes Modell ist; auf diese Weise wirst Du mehr Modelle an einem Tag als andere in ihrem Leben fertig stellen."

Nelson1805

Ich find das Diorama wirklich sehr gelungen, wirklich eine gute Arbeit!!!  :klatsch:
"As a ship is undoubtedly the noblest and one of the most useful machines that ever was invented, every attempt to improve it becomes matter of importance, and merits the consideration of mankind." Thomas Gordon, Principles of Naval Architecture (1784)

Im Bau:
- Colombo Express, 1/700, Revell
- HM Cutter Sherbourne, 1/64, Caldercraft

Bernd B.

Hans, das mit dem weissen Verputz nehme ich zurück ... sehe die Bilder gerade an einem anderen Monitor, die Flächen sind doch nicht mit Persil gewaschen.

Das Bild im Hintergrund brauche ich mir gar nicht mit zusammengekniffenen Augen anzusehen - im National Heritage Park bei Wexford (wenn nicht bekannt unbedingt einen Besuch wert) gibt es eine (vorbildgerecht) geweisste Normannenburg, die erschlägt einen optisch bei Sonnenlicht. Erst direkt davor sieht man leichten Moosbewuchs (wie bei meinem weissen Haus ...).

Die anderen Dinge leuchten ein, aber deswegen hatte ich ja auch mit Absicht die angepflockte Ziege, den Hofhund und etwas Werkzeug vorgeschlagen, alles schnell wegräumbar und daher archäologisch kaum Spuren hinterlassend. Aber, und da relativiere ich mein ästhetisches Empfinden schnell selbst, wenn man solche Details einbaut, kann man dem flüchtigen Beobachter den Eindruck einer permanenten Viehhaltung unterjubeln ... was kontraproduktiv wäre.

Zur Interpretation der Anlage: Spontan fällt mir da der Kraal der Zulu ein ... da gab es auch grosse Anlagen, die nur im Konfliktfall als Rückzugsgebiet für Mensch und Vieh dienten, ansonsten aber eigentlich sinnlos herumstanden.

Hans

Bernd, es ist ein regelrechter Eiertanz mit den Aussagen. Bei unseren Siedlungsmodellen lehnen wir uns generell eh schon recht weit aus dem Fenster...( zB rote Türen...oder im bronzezeitlichen Dorf die Kinderschaukel...), einfach um Bezugspunkte zum Jetzt zu schaffen, ohne gleich den Boden der denkbaren Wahrscheinlichkeiten zu verlassen. Wir wollten hier auf jeden Fall den Eindruck eines landwirtschaftlichen Betriebs vermeiden.

Nochmal vielleicht zur Dame des Hauses. Ich hab mir schon auch die Frage gestellt, ob die dünnen Puchala-Fantasien, die Preiser als 'Evas' verkauft, hier einen Sinn macht. Es gibt da konkretes Für und Wider. Die Darstellungen aus der Zeit selbst sind zu abstrakt, um eine Aussage konkret zu treffen. Spätere Bronzefigurinen zeigen jedoch auch Frauen, die schlank und mit eng anliegenden Kleidern dargestellt werden. An diesen hab ich mich nun orientiert. Grabfunde sprechen jedoch auch eine andere Sprache: Im Sterbealter (das nicht so jung zu sein braucht, wie man sich das vorstellt. Wenn die Frauen die Kindergebärzeit hinter sich hatten, erreichten sie normales Oma-Alter) waren sie sehr oft wohlbeleibt. Ganz um den Leib herumreichende Metallgürtel mit 1m Länge sind nicht selten, der längste süddeutsche (mir bekannte Fund) liegt bei 1,35m Taillenumfang. Auch die Lage der Extremitäten (bei Körperbestattung) mit schräg angeordneten Armen zeigen eine deutliche Leibesfülle. 

Modelltechnisch ist das allerdings nicht ganz einfach für mich, da ich keine Gesichter modellieren kann, jedenfalls nicht in 54mm. In 75mm würde ich den Versuch wagen. Bei Historex gibt es allerdings Teile, die ältere und fülligere Frauen ermöglichen.....ich besorge sie mir grade.

H
Ceterum censeo: Die Lackierung ist wichtiger

Flugwuzzi

 :P Wunderbares Diorama ... gefällt mir sehr gut. Sehr interessant bei den Fachleuten beim fachsimpeln mitzulesen kann. Erstaunlich was mal alles für so ein Projekt berücksichtigen muss.

Danke fürs zeigen.
Lg
Walter
DAS GEHEIMNIS DES ERFOLGES IST ANZUFANGEN. (Mark Twain)

starship24

Interessantes Dio. Vor allem die Figuren und deren Bemalung wissen zu gefallen.  :winken: Jörg.

Thomas Trauner

Kleine Ergänzungen:
Die Gefache der Gebäude sind mit Ton gefüllt, darüber Kalkschlamm. Dann etwas abgebürstet und hie und da mit ein wenig Pigmenten verstärkt.

Zur Gesamtdarstellung:
Diese "Herrenhöfe" sind nicht die normale Siedlungsform in der Hallstattzeit. "Normal" war offenbar das Haufendorf.
Diese "Herrenhöfe" sind mit Graben und Palisade umwehrt. Wälle fehlen hingegen.
Tatsächlich fehlen alle normalen Hinweise auf landwirtschaftliche Tätigkeiten, wie eben (Vorrats-)Gruben, Back- oder Brennöfen, kleine einfache Gebäude mit wenig Pfostenlöchern. An Funden bieten sie viel Keramik aber eben kaum Tierknochen, Werkzeug etc.
Diese Höfe stehen entweder einzeln oder innerhalb einer Dorfgemeinschaft, im letzten Fall aber exponiert, d.h. auf einem Hügel oder mit einem Abstand umgeben.

Deshalb die Theorie des "Herrenhofes". Dort müßte dann auch der reiche Herr (der Schwerträger), seine reiche Frau und vielleicht noch Knecht und Magd wohnen. Er benutzt Wagen und Pferde, er ist einfach reich. Folgt man den sorgfältigen Handwerkstechniken der Zeit, beachtet man die Farbenfreude der Stofffunde kommt man eigentlich zwangsläufig zum Schluß, dass ein solcher Herrenhof eben sauber, gepflegt und frei von "bäuerlicher" Tätigkeit war, ein Gutshof quasi.
Versorgung erfolgt von außen.


Allerdings - natürlich ist es auch anders möglich. Aber das würde jetzt zu weit in die detaillierte Diskussion im Fach über Sinn und Zweck des Herrenhofes führen.
Als Modellbauer/Grafiker muss man sich aber entscheiden. Die Entscheidung war Herrenhof im wörtlichen Sinn. Alles andere hätte sehr viel Erklärungsbedarf erfordert.

Falls der Wagen gefällt. Gleich nebendran steht er nochmal. Im Maßstab 1:1....Auch eine hallstattzeitliche Dame gibt es in diesem Maßstab.
Besuch lohnt sich. Für eine persönliche Führung genügt eine pm....

Thomas


Der Lingener

Thomas, hans,
darf ich mal ganz doof was fragen:
Euer fachwerk erscheint mir sehr regelmäßig; die einzelnen Gefache sind exakt von der gleichen Proportion.
War das tatsächlich so? Wenn ich unsere Fachwerkhäuser im Emsland betrachte (und ich habe sie für eine EU-Projekt mit den Augen eines "angelernten" Hausforschers betrachtet und katalogisiert), sind die einzelnen Gefache, die Eichenbalken, die Ständer, die Vorkragungen, mithin das gesamte Fachwerk im Vergleich zu eurem Herrenhof nur krumm und schief zu nennen - und "meine" Fachwerke stammen allesamt aus der Zeit von 1589 bis ca. 1850!
Fachwerk wurde in der Regel mit dem Holzmaterial (bei uns hauptsächlich Eiche) erstellt, das die Natur lieferte - die intensive Bearbeitung wäre auch viel zu aufwändig gewesen. Also wurde schon mal ein Luchtbalken dem vorgefundenen Holzstück angepasst und nicht umgekehrt!

Täuschen hier die Bilder? War es evtl. Absicht, das Fachwerk derart regelmäßig darzustellen?
Michael
www.kitreviewsonline.de

Modellbau soll Spaß machen, Entspannung bringen und Hobby bleiben!

Bernd B.

Hmmmmm ... das schlägt in dieselbe Kerbe wie meine Anmerkung mit "zu sauber" und "zu abgezirkelt", denke ich. Und auch wenn ich jetzt nicht aus der Distanz Thomas oder Hans ins Hirn schauen kann, möchte ich eines zu bedenken geben:

Dieser "Herrenhof" ist ja nunmal kein einfaches Bauernhaus an der Ems, es ist ein "Prunkgebäude" (jedenfalls in der derzeitigen Interpretation). Und als solches wird es mit weitaus mehr Sorgfalt, Zeit und besseren/auisgewählten Materialien erstellt worden sein ... nehm als Beispiel das Rathaus von Michelbach, rund hundert Jahre älter als Deine heimischen Exemplare ...

P.F.N.

Hallo Hans,

deine Dioramen sind immer wieder eine Augenweide. Klasse  :P

Schönen Gruß

Paul
Aktuelles Projekt: Diorama, mittelalterliche Stadt zu Tudorzeiten 1/72

Hans

Danke, Paul.

Michael, Bernd: Wie schon erwähnt, gibt es ja nur Hinweise, keine Beweise für die Fachwerkbauweise. Grundlage sind die Bodenbefunde, der geringe Abstand der Pfostenlöcher. Aus den Massen der Pfostenlöcher kann man auch auf den Balkendurchmesser schliessen. Die weitere Konstruktion erfolgte aufgrund von mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Konstruktionen. Es gibt da entsprechende Publikationen (zB des Freilandmuseums Bad Windsheim) als auch Erkenntnisse der Mittelalterarchäologie. Die letztere hat bei intensiven Diskussionen den Ausschlag gegeben. Das Fachwerk, so wie gezeigt, ist keine besondere Meisterleistung einer ausgefuzzelten Statik, sondern schlicht und funktional. Wovon man sich aber hüten sollte, ist eine geforderte Vereinfachung nur aufgrund des Alters. Man sehe sich nur mal die Steinzeitlichen Konstruktionen an. Die sind zimmermannstechnisch erste Sahne - und das völlig ohne Metallwerkzeuge.

H
Ceterum censeo: Die Lackierung ist wichtiger

Bernd B.

Zitat von: HansTrauner in 25. März 2009, 08:47:09
Das Fachwerk, so wie gezeigt, ist keine besondere Meisterleistung einer ausgefuzzelten Statik, ...

Dann wäre es, schätze ich 'mal, auch wesentlich "luftiger" gebaut, mit mehr und grösseren Füllflächen als jetzt gezeigt. So wie im Modell müsste das Fachwerk etwa die statische Qualität einer Panzersperre haben ...

Davon einmal abgesehen - teilweise hat sich Bautechnik ja auch regelrecht "bergab" entwickelt ... das Pantheon in Rom etwa ist eine Meisterleistung, an der moderne Architekten zu beissen hätten. Und es ist ein gutes Beispiel wie der Schein trügen kann ... ich hatte das nie und nimmer in die Antike eingestuft, viel zu modern!

DAB

#18
Ich finde es nicht zu sauber, auch nicht das Fachwerk. Durchaus denkbar und schlüssig, so wie alles dargestellt ist. Aber irgend etwas fehlt auf der rechten Seite, z.B. ein zweiter Wagen ohne Tiere, an den Rückwänden der Gebäude, den herrschaftlichen Blicken entzogen, könnte sich Dinge angesammelt haben, ein Zuber, Feuerholz, etwas dass das Bild auflockert.
Wenn ich mal wieder in Nürnberg bin (meistens schaff ich es nur bis Fürth, weil da meine Schwester wohnt :D) und die Zeit habe, schaue ich mal im Museum vorbei.

Thomas Trauner

Ich sehe schon, was die geehrten Betrachter/innen so stört...

Zum Fachwerk:
Im Herrenhof stehen drei Gebäude. das größte 12x18m, die beiden kleineren 9x6.
Die Pfostenlöcher sind in einem Abstand von 90-100 cm (!), die Pfostenlöcher bis zu 40 cm (!) im Durchmesser.
Geht man von einem 45 Grad-Dach aus, ergibt sich eine Gesamthöhe mindestens 8,50 m, alleine die Dachstuhlkonstruktion würde über 1350 m³ beinhalten.
(Anmerkung: Der Hausgrundriss im Modell ist aus Platzgründen etwas kleiner, jedoch in den gleichen Seiten/Höhenverhältnissen)

Bei allen drei Gebäuden fehlt eine Firstreihe, d.h. es gibt keine mittlere Pfostenreihe die den First nach unten abstützt. Diesen Haustyp bzw. Typen gibt es jedoch öfter, es ist keine Ausnahme.
Jetzt wird im Fach fleißig diskutiert, da es seitens der verschiedenen Bearbeiter bezweifelt wird, dass bei einer ,,üblichen" Pfosten/Lehm-Wandkonstruktion möglich ist, 12 m Breite ohne Zwischenpfosten zu überspannen. Das geht soweit, dass einige Autor/innen tatsächlich den Pfostensetzungen ohne jede bessere Erklärung die Hauseigenschaft absprechen.

Nun ja.
Das Ganze wäre nur dann ein Problem, wenn wirklich nur die Pfosten den wirklich mächtigen Dachstuhl tragen würden. Kein Problem ist es jedoch, wenn es sich um tragende Wände handelt. Berücksichtigt man jetzt noch die enge Pfostensetzung und eigentlich übergroßen Pfostenlöcher ist die Fachwerkkonstruktion sehr augenfällig.
Und zur Bestätigung der Möglichkeit, nicht als Quelle, liegen tatsächlich eine ganze Reihe von solchen Konstruktionen in den geforderten Maßen aus mittelalterlichen und neuzeitlichen Zeiten vor.

Zum Gefache:
Ziel war eine sehr einfache Grundkonstruktion. Zu beachten waren die Abstände der Pfosten- oder eigentlich Balkenlöcher sowie die Höhe der Fenster und Türaussparungen.
Und  tatsächlich ergibt sich bei einer angenommen Standhöhe von 2,50 m dieses regelmäßige Gefache. Solche ,,einfachen" Konstruktionen liegen auch recht häufig vor.
Die mittel/neuzeitlichen Gefache waren übrigens stark der Mode unterworfen und keineswegs alle holzsichtig. Die Verwendung verschiedener Holzarten im selben Bau sind nicht ungewöhnlich.
Ob unser Gefache nun holzsichtig war oder nicht, muss dahingestellt bleiben. Es wäre jedoch modelltechnisch unsinnig es nicht zu zeigen, da ja damit die Aussage nicht mehr klar wäre.
Die Farbe Schwarz, bzw. sehr Dunkelgrau-braun für das Gefache ergibt sich aus dem einfachen Umstand, dass Kohle/Asche vermischt mit Milch, Öl oder sogar einfachem Wasser einen hervorragenden Witterungsschutz für das Holz bietet.

Das Dach wurde übrigens aus reiner Vorsicht ,,nur" mit Schindeln gedeckt. Ein Strohdach mit rund 40 cm. Dicke erschien mir dann auch grenzwertig, was die Belastungsfähigkeit des Dachstuhls bzw. der Wände angeht....

Zugegebenermaßen wirkt der ,,Herrenhof" etwas ,,kahl".  Jede ,,Zutat", sei es nur Keramik oder ein paar Holzbündel würden jedoch eine zusätzliche Aussage zur Nutzung geben, bzw. doch den Betrachter in Richtung ,,Bauernhof" lenken.
Die Archäologischen Hinterlassenschaften der süddeutschen Eisenzeit sind sehr exakt, sorgfältig gearbeitet und stilvoll verziert.
Wenn wir von einem Herrenhof ausgehen, befürchte ich sogar, dass der hier gezeigte Eindruck immer noch zu unordentlich und ungepflegt wäre.  Zier- und Nutzgärten, ,,Erholungsbänke", gepflegte Buschreihen etc. analog zu den zeitgleichen etruskischen/großgriechischen Anlagen sind sogar sehr wahrscheinlich.
Nur liegen hier keine wirklich konkreten Anhaltspunkte vor, damit zumindest ein Vorschlag einigermaßen mit Hintergrund versehen werden kann...Leider.

Solche Museumsmodelle bleiben letztlich immer ein Kompromiss zwischen den ,,trockenen" Fakten und einigen mehr oder weniger gewagten Annahmen.

Aber vielen Dank für das Interesse und die rege Fragerei.

Und wie schon gesagt: Wer in der Nähe ist und eine Führung haben will, pm genügt.

Thomas

Wilee

Dolce&Gabana? Ich trage Heckler und Koch!

Ulrich92

Echt super Diorama. Wirklich realistisch von allem.

Vor allem ist es auch einmal etwas neues und seltenes neben allen 2WK Dios.

Kann mich der Meinung meiner Vorgänger nur anschließen, das ist wirklich Museumsreif.