Bernard Frölich, L'art du modélisme, deutsch - Übersetzungsqualität

Begonnen von Verwirrt, 22. Oktober 2014, 16:27:24

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Verwirrt

Ahoi zusammen,

kann jemand der hoffentlich zahlreichen Besitzern von Frölich, L'art du modélisme in der deutschen Übersetzung ("Die Kunst des Modellbaus", wenn ich nicht irre) etwas  zur Qualität der Übersetzung machen?

Leider ist die sowieso schon schütter ausgestattete Kunst des Übersetzens in stetigem Sturzflug begriffen. Minimalkriterien für eine ordentliche Übersetzung sind (das war alles einmal selbstverständlich):
- keine inhaltlichen Fehler - ist leider so gut wie nicht mehr vorhanden
- Sprachqualität. Die Übersetzung ins Deutsche muß sich auch deutsch anhören; "Übersetzungen", welche Satzbau und Sprachrhythmus des Originals in der hölzernst möglichen Form mitbringen, sind mir ein Gräuel, mir summt dann immer der Originaltext im Ohr.
- Der Sinn des Ausgangstextes sollte ebenfalls nicht zwischen den Zeilen zu suchen sein, sondern in der Übersetzung.

Es gibt "Übersetzungen", die es schaffen, nichts von Obigem zu leisten. Ich hatte schon Bücher, die ich mir ein zweites Mal, diesmal im Original, kaufen mußte, um die Übersetzung zu verstehen. Deshalb meine Anfrage; falls irgendetwas quer liegen sollte, werde ich mir gleich das Original kaufen.

Sicher hätte ich diese Anfrage gleich an den Ancre-Verlag schicken können, aber welche Antwort wäre auf so etwas zu erwarten: "Sehr geehrte Damen und Herren, ist die deutsche Übersetzung lesbar oder handelt es sich um eine der vielen grauenerregenden Hausfrauenübersetzungen?"

Schönen Gruß

Hans

wefalck

Ich besitze die Englische Ausgabe und deren Übersetzung liest sich gut, sowohl was die Idiomatik anbelangt, als auch die Fachterminologie.

Natürlich ist eine Übersetzung nie so gut, wie das Original (manchmal aber auch besser  :pffft:), da sich Strukturen und Gedankengänge zwischen den Sprachen unterscheiden.

Da ich ich zweisprachig Deutsch-Englisch bin, kann ich mir da schon ein Urteil erlauben.

wefalck
www.maritima-et-mechanika.org
www.imago-orbis.org
www.arbeitskreis-historischer-schiffbau.de

AnobiumPunctatum

Anbei der Link zur Buchvorstellung, die ich vor ein paar Jahren geschrieben habe: Modellmarine.de

Die deutsche Übersetzung lädt so manches Mal zum Schmunzeln ein.
:winken:  Christian

in der Werft: HMS Triton 1773, Maßstab 1/48

"Behandle jedes Bauteil, als ob es ein eigenes Modell ist; auf diese Weise wirst Du mehr Modelle an einem Tag als andere in ihrem Leben fertig stellen."

Verwirrt

ZitatDie deutsche Übersetzung lädt so manches Mal zum Schmunzeln ein.

Danke Anobium, dann wird es das französische Original.

@wefalk: Auch deshalb, damit der frankophone Teil der Bibliothek nicht allzusehr ins Hintertreffen gerät.

Schönen Gruß

Hans

Verwirrt

Zitat von: wefalck in 22. Oktober 2014, 16:44:56
Natürlich ist eine Übersetzung nie so gut, wie das Original (manchmal aber auch besser)

Wenn das Original von Thomas Mann stammt, wird jede Übersetzung, auch ins Kisuaheli, besser sein.

Hans

mhase

Hallo Hans,

Hmmmm, Frölich mit Thomas Mann sprachlich auf eine Ebene zu stellen halte ich für gewagt. Auch wenn man den Inhalt ansieht, auf den sich ja üblicherweise auch die Sprache bezieht. Erzählungen mit technischen Handbüchern zu vergleichen ist sicher vom Stil, Duktus usw. her heruasfordernd.

Ich bevorzuge bei Büchern eigentlich - wie bei der Musik auch - immer das "Original". Und offensichtlich scheint es Dir keine Mühe zu bereiten, französische Bücher zu lesen. Also dann, auf zum Original!

Gruß

Michael

Verwirrt

Zitat von: mhase in 25. Oktober 2014, 11:43:26
ch bevorzuge bei Büchern eigentlich - wie bei der Musik auch - immer das "Original".

Servus Michael,

Thomas Mann mit Frölich zu vergleichen, war nicht mein Anliegen. Es war ein Seitenhieb auf einen der am meisten überschätzten Autoren deutscher Zunge (ja, ich würde ihn auf die Nummer eins setzen, gefolgt von Wolfgang Göthe und von Wolfgang Koeppen).

Hugo von Hoffmannsthal, also jemand, der im Gegensatz zu Mann deutsch konnte, verdanken wir das Verdikt (aus dem Kopf zitiert, Fehler also inclusive: "Ich wußte, daß er dumm ist, ich wußte, daß er ungebildet ist, aber daß er so albern sein kann, wußte ich nicht."

Um die Kurve zur Marine zu schlagen: Angeblich hat Thomas Mann englisch gelernt, um Joseph Conrad im Original lesen zu können. Hätte er, anstatt englisch zu lernen, besser versucht, zu verstehen, was ihm da unter das Wurstmesser kam. Es spricht der Großdichter:

"Ich gebe zu, daß das tiefste und persönlichste dichterische Erlebnis dieses Mannes das Meer, die gefährliche Kameradschaft mit dem Elemente gewesen ist und daß seine auffallendsten künstlerischen Leistungen auf diesem Gebiete liegen"

Sehen wir davon ab, was Mann uns mit seinem "ich gebe zu" sagen möchte - eine einfache Meinungsäußerung wäre wohl zu banal für den aufgeblasenen literarischen Gartenzwerg gewesen - bleibt ein Mißverständnis gegenüber Conrad, wie es größer nicht sein könnte. Nein, Herr Mann, abgesehen von ihrer geschwollenen Sprache von dichterischem Erlebnis, gefährlicher Kameradschaft und anderem Schmonzettentum, die Tiefe der künstlerischen Aussage bei Joseph Conrad kommt aus einem großen Verständnis menschlicher Leidenschaft, menschlichen Mutes und menschlichen Versagens. Also aus allem dessen, von dem Sie noch nie irgendeine Ahnung hatten. Ja, das Meer ist wichtig, aber Conrad ist ein zu guter Schriftsteller, um aus "dem Elemente" mehr machen zu wollen als das, was es ist und es als Folie zu setzen, vor deren Hintergrund sich Schicksale von Menschen deutlich abspielen; dies passiert selbstredend deutlicher als in dem Bürgermief, den Sie für ihre Pappdeckel-Theaterdekoration wählen mußten, da Ihre künstlerische, intellektuelle und imaginative Mittelmäßigkeit ihnen nichts anderes übrig ließ. Nein, bei "Lord Jim" geht es nicht um das Meer, nein, bei "Der Nigger von der Narcissus" geht es nicht um das Meer, nein, bei "Die Schattenlinie" geht es nicht um das Meer. Und so weiter. Um das nicht zu verstehen, muß grenzdebil sein, oder großartiger norddeutscher Dichter.

Das Zitat von T. M. geht allerdings noch weiter, es dient allerdings nicht zur Verbesserung der Vorstellung, die T. M. uns liefert. Wie erwähnt, faselt T. M.  über "Der Geheimagent". Da kommt kein Meer, auch kein "Elemente" vor. Nur Geistesschwache können das Buch für einen Kriminalroman halten (nein, es geht, wie überall bei Joseph Conrad, um Menschen, die an ihrer Aufgabe wachsen, oder, wie hier, um kleine Menschen, die es schaffen, im Laufe ihrer Geschichte noch kleiner zu werden. Bei Conrad geht es - immer! - um Charakter und Charaktere). Hören wir hingegen Thomas Manns Meinnung zu "Der Geheimagent":

"Aber sein männliches Talent, sein Engländertum, seine freie Stirn, sein fester, kühler und humoristischer Blick, seine erzählerische Verve, Kraft und ernste Lustigkeit beähren sich nicht weniger, wenn er sich auf dem Trockenen hält und das gesellschaftliche Leben des Festlandes anschaut, durchschaut und kritisch-plastisch gestaltet, wie in der vorliegenden spannenden, ja aufregenden Geschichgte, einer Kriminalgeschichte."

Daß er England dem "Festland" zuordnet ist marginal, paßt aber ins Bild. Ausdrücke wie "ernste Lustigkeit" zeugen von einem Schmierfinken, dem die Sprache egal ist. Das "gesellschaftliche Leben" kommt in "Der Geheimagent" nicht vor (es geht um eine Kleinbürgerexistenz und zeigt, wie aus unzufriedenen Zukurzgekommenen (die Gesellschaft ist schuld) Agenten von Diktaturen werden können. Wer Hitler verstehen will, ist mit "Der Geheimagent" nicht falsch. Wer wie T. M in "Der Geheimagent" eine Kriminalgeschichte sieht, ist tatsächlich dumm, ungebildet und albern - wie oberflächlich muß man lesen, wie behämmert darf man sein, um zu soetwas zu kommen? Ende der Abschweifung zu Thomas Mann.

***

Was die Originalausgaben beziehungsweise das Lesen derselben betrifft, ich gebe Dir recht und es lohnt, sich ein wenig Mühe zu machen. Mit Wörterbuch und Grammatik, mehr braucht man nicht, erschließt sich so manches. Selbstverständlich darf man sich nicht einbilden, eine Sprache zu "können", bloß weil man Texte lesen kann. Es gibt eine schöne Anekdote zu Kurt Tucholsky. Ein Mann sagte eines Tages zu Tucholsky "Ich beherrsche sieben Sprachen." Antwort: "Was müssen das für Sprachen sein, die sich von ihnen beherrschen lassen."

In diesem Sinne und mit schönen Gruß

Hans

Daytona

Hans, Du und Thomas wäret wohl richtig dicke Kumpels geworden ...  :D

Bezüglich der schlechten Übersetzungen kann ich nur sagen, dass ich mich über sie freue. Auf die Art, zwar von hinten durch die Brust ins Auge, wird hoffentlich erkannt, dass man dem Job niemals Maschinen oder den sprichwörtlich gelangweilten Hausfrauen überlassen sollte. Täte man dies, wäre ich bald arbeitslos ...


Happy translating ~ Daytona!

JWintjes

Über Geschmack läßt sich ja bekanntlich nicht streiten - ich mag Mann...  :D

Nur, weil ich's anders in Erinnerung hatte, habe ich das mal aus dem Regal gezogen - und Mann lobt doch Conrad über den grünen Klee. Was ist daran jetzt genau falsch? Er sagt da in der Einleitung ja gerade nicht, daß es sich bei Conrad immer um das Meer dreht, sondern lediglich, daß das formative Erlebnis in der Biographie Conrads seine Beziehung zum Meer war bzw. ist. Ohne jetzt allzuviel von Conrad zu verstehen - ist das so falsch?

Nebenbei, André Gide hat Englisch gelernt, um Conrad zu lesen. Mann konnte das schon...

Jorit

Hans

Eine literarische Diskussion im Board...das ich das noch erleben durfte... :7:

Nur eins, aber eher am Thema: Gute und "schlechte" Übersetzungen gibt/gabs/wird es immer wieder geben. Das Problem bei übersetzter Fach(!)literatur ist jedoch nie die mangelnde Kenntnis der Sprache in der es übertragen wird, sondern manchmal höchst wunderliche Fach(!) kenntnis. Aus Gründen literarischer Erbaung liest doch niemand Fachliteratur.

Ceterum censeo: Die Lackierung ist wichtiger

Verwirrt

Zitat von: JWintjes in 25. Oktober 2014, 22:52:13
Er sagt da in der Einleitung ja gerade nicht, daß es sich bei Conrad immer um das Meer dreht, sondern lediglich, daß das formative Erlebnis in der Biographie Conrads seine Beziehung zum Meer war bzw. ist. Ohne jetzt allzuviel von Conrad zu verstehen - ist das so falsch?

Jorit,

ja, ich halte das für falsch. Ganz abgekürzt und deshalb in der Gefahr, simplifizierenden Unsinn zu schreiben, aber anders geht es gerade nicht: Sicherlich ist das Meer wichtig für Conrad, es kommt ja auch in etlichen Büchern von ihm vor. Was Conrad aber in seinem Innersten bewegt, ist, meiner Meinung nach, etwas anderes. Es geht um "Charakter" beziehungsweise "Nicht-Charakter", es geht um "Haltung", es geht um "Moral". Daß es das Meer ist, welches Situationen evoziert, in dem sich Charkter oder Nicht-Charakter zeigen, liegt in Conrads Biografie begründet, das ist korrekt. Selbstverständlich kann Conrad auch seine Biographie nicht über Bord werfen. "Die Schattenlinie" könnte aber, und jetzt kommt mein Argument, genausogut am Nordpol oder auf dem Mont Blanc spielen. "Das Meer" steht für die Natur, welche Conrads Personen in Situationen bringt, in denen sie sich bewähren oder auch versagen. Es ist bei Conrad eben nicht immer das Meer; "Der Geheimagent", "Mit den Augen des Westens": Großstadt. "Almeyers Wahn": Dschungel. Und eine seiner stärksten Schöpfungen (wenn nicht die stärkste), "Herz der Finsternis": das dunkelste Afrika.

Ich habe Mann zitiert, und hier nochmals: "daß das tiefste und persönlichste dichterische Erlebnis dieses Mannes das Meer (...)" Das ist platt, das ist dumm. Na ja, das kann übrigens auch nur jemand schreiben, der zeitlebens kein tiefes und dichterisches Erlebnis hatte. Tut mir leid für den leicht aggressiven Ton, aber Thomas Mann ist für mich ein Brechmittel.

Schönen Wochenanfang

Hans

Verwirrt

Zitat von: Hans in 26. Oktober 2014, 03:22:41
Aus Gründen literarischer Erbaung liest doch niemand Fachliteratur.

Hans,

streiche "literarisch" und es wird ein großes Problem deutlich; warum sollte Fachliteratur nicht auch erbauen können? Ich jedenfalls erwarte dies. Irgendwie hingerotzte Fachaufsätze brauchen wir wahrscheinlich alle nicht. Ich lese nur noch zur Erbauung. Zur Belehrung reicht es bei mir qua Alter und fortgeschrittener Verblödung nicht mehr.

Hans

Hans

Nee, ganz und gar nicht, wirklich nicht. Demnächst wird Schussmanns "Höhensiedlungen der Frankenalb" noch im Literarischen Zirkel diskutiert. Oder Hartmut Vogts "Bf 109" gerügt, da die gefühlte Innerlichkeit der Einsamkeit des Piloten auf Angriffshöhe 6000 nicht zum Ausdruck kommt.  X( X( X(

Das ist so zB die Fachliteratur die ich lese. Oder auch "Casques de l'armée romaine", aber auch hier ist der existentialistische Touch nicht ausgeprägt. Nee...also wirklich. Allenfalls bei Kochbüchern vielleicht. Da ist eine gefühlte und vor-gerochene Innerlichkeit, ja Andachtshaltung dem komplexen Rezept gegenüber schon was schönes. Kommt aber auch nur in der Originalfassung rüber.

H
Ceterum censeo: Die Lackierung ist wichtiger

mhase

Irgendwie kommt mir bei der "Diskussion" der Ausspruch meines damaligen Deutschlehrers in den Sinn...

"Getreten Quark wird breit, nicht stark...."

Gruß

Michael