Hauptmenü

Bürger um 1814 in 1:72

Begonnen von Frankzett, 17. September 2021, 14:41:30

0 Mitglieder und 1 Gast betrachten dieses Thema.

Frankzett

Nach etwas Ruhe in der Modellbauerei habe ich mal wieder eine Figurengruppe in der Mache. Modelliermasse ist wie immer eine Mischung aus Green Stuff und Magic Sculp auf Drahtskeletten. Die Figuren sind bisher in drei Schritten entstanden

1. Das artikulierte Drahtskelett mit angeklebtem vorgefertigtem Gesicht auf der Ständerplatte
2. Das Beinpaar
3. Der Oberkörper mit Kostüm / Rehrock / Mantel

Bürger02klein.jpg
Bürger07.jpg

Meine ersten Figuren in "Zivil". Zugegeben, man hat mehr Freiheiten der Gestaltung als bei Uniformen, aber dafür ist die Zivilmode unübersichtlicher zu fassen....

Die Männer haben Gehröcke / Fracks bzw. Mantel, es fehlen noch die Gehstöcke und Zylinder. Die Damen tragen Kostüme im Empire-Stil und bekommen noch entsprechende Huthauben und Handdaschen. 

Viele Grüße
Frank

wefalck

Interessantes Projekt und mal etwas anderes, als immer nur Uniformen. Werden das Einzelstücke sein oder sollen sie reproduziert werden ?

Die Mode läßt sich aber praktisch von Jahr zu Jahr und auch geographisch recht gut fassen, da es ja zahlreiche datierte bildliche Darstellungen gibt und auch entprechende historische Publikationen. Natürlich war nicht jeder nach dem 'dernier cri' gekleidet und es signifikante Standesunterschiede, wobei sich die Kleidung der arbeitenden Klassen weniger rasch entwickelte oder nur einzelne 'fashionable' Elemente aufnahm.
www.maritima-et-mechanika.org
www.imago-orbis.org
www.arbeitskreis-historischer-schiffbau.de

Hajo L.

Wow!

Fantastisch - es sieht nicht so aus, als ob man das "mal schnell eben" machen könnte - du hast vermutlich schon "etwas" ;) Erfahrung damit?


HAJO
"My theory is longer, thicker and harder than yours." (Frank Farrelly)

Aufgrund der Photobucket-Problematik sind zahlreiche Bilder von mir nicht sichtbar. Bei signalisiertem Interesse stelle ich die fehlenden Bilder gerne über einen anderen Host wieder online.

Frankzett

ZitatDie Mode läßt sich aber praktisch von Jahr zu Jahr und auch geographisch recht gut fassen, da es ja zahlreiche datierte bildliche Darstellungen gibt

Das mag wohl für Paris oder London gelten, da gibt es Modekataloge für die gehobene Bürgerschicht seit ca. 1800; im deutschen Raum sieht es da (im WWW) bis in die 1820er Jahre vergleichsweise karg aus - vor dem Biedermeier. Ich fand es jedenfalls nicht so einfach, mal eben detailierte Tafeln zu finden. Hingegen sind Tafeln der Biedermeiermode sehr zahlreich zu finden.

@Hajo
Stimmt, mal eben schnell kann ich das auch mit einer gewissen Erfahrung und Routine nicht modellieren...

Viele Grüße
Frank

wefalck

Mit einer gewissen zeitlichen Verzögerung, hat sich die französische (Damen)mode auch nach Deutschland ausgebreitet, da ja die Modejournale usw. auch dorthin exportiert bzw. von Reisenden mitgebracht wurden. Allerdings ging es den deutschen Ländern in den ersten beiden Jahrzehnten des 19. Jh. wirtschaftlich nicht so gut - die Nachwirkungen der Napoleonischen Kriege, so daß die Mode insgesamt wohl weniger extravagant war und es auch weniger bildliche Dokumente gab.

Es gibt aber viele Studien, Zeichnungen, Aquarelle und Ölgemälde aus dieser Zeit, die eine Rekonstruktion der Mode, auch mit regionalen Unterschieden zulassen. Ich kenne mich in der einschlägigen Literatur nicht so, deswegen weiß ich nicht, was an neueren Publikationen verfügbar ist. Es gibt aber Kostümkundebücher aus den 1930er Jahren, die recht detailliert sind. Seit Jahrzehnten steht bei mir im Bücherschrank dieses Werk, das auch Details der Kleidung behandelt:

Kybalova, L. (1966): Das große Bilderlexikon der Mode.- 639 S., Prag (Artia Verlag).
www.maritima-et-mechanika.org
www.imago-orbis.org
www.arbeitskreis-historischer-schiffbau.de

Frankzett

Ich habe den Rechercheaufwand jetzt nicht allzusehr übertrieben- zugegeben. Ich modelliere sie für einen Sammler...
Für meine Figuren gaben die zeitgenössischen Musterdrucke der Pariser Mode der ersten eineinhalb Jahrzehnte des 19. Jh. den Trend vor (englische Stiefel, z.T. Lange Hose, knapper Schnitt der Gehröcke, einreihige Knopfreihen, Empire-Kostüme). Dann habe ich - nach Gefühl - die Extravaganzen entschärft und bei den Männern die älteren Kragenformen und die langen Rockschöse der Jahrhundertwende beibehalten. Bei der Damenmode war es schwieriger überhaupt eine Vorlage eines "Alltagskostüms" der oberen Bürgerklasse zu finden, Ballkleider gibt es zuhauf im www zu sehen, die Alltagsmode ist schwerer zu finden. Ich habe die Schleppsäume weggelassen,das Dekoltee entschärft und lange Ärmel modelliert...

Viele Grüße
Frank

Hans

Das machst du schon richtig, Frank. Die Kostümbucher zeigen wirklich eine Tendenz zur Hochmode und zur Extravaganz. Eine gute Quelle sind auch die Fotos von Zivilisten beim Napoleon-Reenenactment, auch wenn da vielleicht mal was landestypisches mit durchschimmert.
Ceterum censeo: Die Lackierung ist wichtiger

wefalck

... was dann die Frage aufwirft, aus welchen Quellen die 'Reenactment'-Leute schöpfen.
www.maritima-et-mechanika.org
www.imago-orbis.org
www.arbeitskreis-historischer-schiffbau.de

Hans

Ceterum censeo: Die Lackierung ist wichtiger

Hans

Mein Grant ist jetzt etwas verflogen. Man kann natürlich die Quellenlage des Reenactments hinterfragen, aber manchmal weiss ich schon auch, wovon ich schreibe. Das napoleonische Reenactment hat aufgrund gerade der eben wg der guten Quellenlage einen wirklich hohen Standard. Das sind keine Middelalda!-Markt-Gänger.

Was die tatsächliche Quellenlage auch für den zivilen Teil anbelangt: Kostümbucher sind da nicht die Quellen und letztlich auch nur bedingt tauglich. Wir sprechen aber vom 19. Jahrhundert, es gab Zeitungen, Druck, Post, Handel....mit all den Folgen. Wie hat sich die Kunde, was grad so in ist, denn verbreitet? Nicht viel anders wie im 20 Jhd vor dem Internet. Durch Zeitungen, Fachzeitschriften, Anzeigen, Schnitten für die Schneider, Kataloge, Stoffmuster. Vieles davon gibt es noch und ist verwendbar. Gerade die Reenactment-Szene buddelt solche Sachen aus. Und die Forschung ist auch entsprechend weit fortgeschritten, wenn es auch an populärwissenschaftlichen Publikationen mangelt. Es gibt aber sehr spezielle Museen, auch in D. Man bekommt da aber nur mit viel Arbeit wirklich einen Überblick, aber es geht, zumal es auch Fachforen und FB.Gruppen gibt. Und wenn es dann um 72er Figuren geht, da reicht es m.E. völlig auf die Ergebnisse dieser Arbeiten zurückzugreifen.
Ceterum censeo: Die Lackierung ist wichtiger

Frankzett

#10
Nun sind sie eigentlich komplett; noch etwas kleinere Versäuberungen, dann sind sie fertig. Bei den Damenhüten und der Handtasche war ich mir nicht ganz so stilsicher, aber ich denke für 1:72 passt das soweit.
Bürger11.jpgBürger10.jpgBürger13.jpg

Viele Grüße
Frank

wefalck

Ich bin nicht so der Handtaschen-Experte, meine mich aber zu entsinnen, daß zu dieser Zeit vorallem Zugbeutel in Mode waren.

Die Körpersprache und Animation finde ich gut getroffen für diese Periode.

Kann man die Gesichter noch nacharbeiten ? Bei der Dame mit der Stola (4. von links auf dem ersten Bild) ist der Unterkiefer doch recht stark. Ich finde auch die offenen Münder nicht gerade förderlich für einen intelligenten Gesichtsausdruck.
www.maritima-et-mechanika.org
www.imago-orbis.org
www.arbeitskreis-historischer-schiffbau.de

Thomas

Ich bin tief beeindruckt und ziehe meinen Zylinder, egal ob die Handtasche nun richtig ist oder nicht  :P
Ich würde höchstens die Bodenplatten der Figuren selbst kneten können :-)

Wer fragt ist ein Narr für 5 Minuten, wer nicht fragt bleibt ein Narr für immer.

Frankzett

#13
Oh Mann...keiner hat's gemerkt, bis es Kritik von einem Hobbykollegen gab.
Die Knopfreihen der Männerklamotten sind falsch!
Männerbekleidung hat die Knöpfe IMMER auf der rechten, die Knopflöcher auf der linken Seite... iss' ja klar, weiss ich doch, und dann habe ich total betriebsblind drauflos modelliert...

So, jetzt aber die korrekten Knopfreihen.....
Bürger15.jpg


Viele Grüße
Frank