...und noch eine Soleil Royal

Begonnen von hwe, 12. Februar 2006, 16:11:16

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janmaat

zum Beitrag von hwe (S. 4 dieses threads, dat. 28.5. 2006)

Zitat Anfang: "Hier die Zeichnung:



Jetzt vergleicht das bitte mal mit dem Heck des Modells aus dem Musee de la Marine und dem Bausatz von Heller... geschockt verwirrt böse

Kleiner Hinweis am Rande: Die Farbgebung auf der Zeichnung ist ein Vorschlag und die rot gefärbten Teile sind nur eine "Vorarbeit", um dieselben Teile dann blau einzufärben. Damals musste man manchmal Farben in zwei Komponenten auftragen. Es ist mehr als eine Art "Studie" zu sehen.

Zum Modell im Musee de la Marine ist zu sagen, dass es nach 1850 entstanden ist, im Auftrag von Edmond de Paris, der mit den ganzen Unterlagen der französischen Marine etwas "hemdsärmelig" umgegangen ist. Seine Rekonstruktionen dürfen also durchaus angezweifelt werden.

Na, was halten die bisherigen Kollegen Soleil-Royal-Bauer davon? winken

Ich schließe für mich daraus, dass mir einiges an Arbeit ins Haus steht. - Wer findet alle "Fehler" ? böse
Kleiner Tipp: Zählt mal die Fenster. - Alles was ein Fensterkreuz hat, ist auch eines. - Die anderen Teile (Seitengalerien) sind offen. - Aber jetzt zählt mal die Fenster beim Bausatz nach... Augenzwinkern" Zitat Ende

Zur Herkunft dieser Zeichnung: "Ce dessin de poupe du Soleil Royal concerne celui construit en 1669 par Laurent Hubac à Brest et radoubé entièrement en 1686 [völlig umgebaut] avec ce nouveau décor pour être ensuite "monté" par Le Chevalier de Tourville et détruit par les anglais lors de la bataille de la Houghe." Quelle: http://fr.wikipedia.org/wiki/Soleil_Royal

Die Zeichnung der Heckfront der SR zeigt also den Zustand nach einem 1686 vorgenommenen Umbau - wie das Heck vorher aussah, ist natürlich mangels Bildquellen schwer zu sagen.

In einem ist hwe auf jeden Fall Recht zu geben: Es ist schon ein gewaltiger Unterschied, ob in der Heckfront eine gerade Anzahl von Fenstern eingebaut wurde (mit der Möglichkeit, in Verlängerung des Achterstevens [mit Unterbrechung durch das Rudergatt] mittig einen starken, lotrechten Balken einzubauen, oder ob solch ein "zentrales" Bauelement  durch die ungerade Anzahl von Fenstern bautechnisch verunmöglicht wurde.

Was die Interpretation der Öffnungen zu den Seitentaschen betrifft, so bin ich mir nicht sicher, ob da die Zeichnung nicht, wie in anderen Bereichen, schlicht nicht völlig ausgeführt ist. Aber ich weiß, dass das kein belastbares Argument ist.

Klar ist auf jeden Fall, dass das große, die Heckfront krönende Giebelfeld mit der Darstellung der die Pferde des Poseidon zügelnden Göttin (die Zügel fehlen im Hellerschen Halbrelief und sind mit feinem, aufgeklebten Draht zu ergänzen) viel zu hoch angelegt ist. Dadurch kommt auch der in meinem Augen unharmonische Seiteneindruck zustande, bei dem die Oberkante des Heckspiegels das Poopdeck in der Mittschiffslinie mehr als zwei Meter (im Maßstab umgerechnet) überragt. Das hat mit schon immer zu denken gegeben, denn ich kann mir nicht vorstellen, dass man sich der Möglichkeit beraubte, vom Poopdeck aus halbwegs freie Sicht nach achtern zu haben.

In diesem Zusammenhang scheint mir das Heller-Modell einen weiteren Mangel aufzuweisen: Das Fehlen einer Schiffsleiter, die auf das Poopdeck führte. Denn dort hinauf musste ja ein Zugang vorhanden sein, um z. b. die großen Laternen entzünden und die Flagge hissen oder niederholen zu konnen.

Ein weiteres wird aus der Heckdarstellung klar: Die Pfortenöffnungen des Hellerbausatzes sind mit etwa 12 mm (das entspricht 1,20 m real) viel zu hoch und müssen, um der Höhe der Geschützluken auf den Schiffsseiten zu entsprechen, von oben her um 3 mm verringert werden.

Soviel für diesmal - ich selbst taste mich z.Zt. an den Heller-Bausatz heran und danke hier allen einschlägigen Beiträgern zum Thema Modellbau historischer Segelschiffe (egal ob "Holzwürmer" oder Freunde der Polystyrolmodellbausätze) für äußerst wertvolle Anregungen, Informationen und Tipps.

Leider besitze ich keine Digicam, sodass ich einen veritablen Baubericht wohl nicht erstellen kann. Was bisher auf meiner Modellwerft geschehen ist:

Für das 1. Batteriedeck: Anfertigung von zwei hintereinander zu stehen kommenden, schweren Ankerbetingen, dem unteren Teil eines in das zweite Batteriedeck sich fortsetzenden Ankerspills und der in das Orlopdeck bzw. den Raum hinabführenden sechs Luken. Als Vorbild habe ich dafür die Pläne und Maße bei Pâris, Segelkriegsschiffe des 17. Jahrhunderts, Kapitel Royal Louis, genommen. Ich werde in das 2. Batteriedeck in lotrechter Fortsetzung der Grätings des Hauptdecks ebenfalls Grätings einbauen, die zusammen mit zwei bis drei Niedergangsöffnungen samt Leitern hoffentlich genügend Licht in das unterste Batteriedeck durchlassen werden, so dass man diese Einrichtungen zumindest ein wenig erkennen kann, wenn man durch die Geschützluken des untersten Geschützdecks nach innen lugt.

Apropos Pâris: Das dort auf Aufklapptafel VI B  (nach S. 88) in Großaufnahme abgebildete Modell einer SR von 1690 zeigt ja sehr wohl die offenen Seitentaschen. Auf der anderen Seite erweisen eine Reihe von Abbildungen im vorderen Teil besagten Bandes, dass es in jener Zeit durchaus auch die Lösung der geschlossenen Seitentaschen gab.

Möglicherweise dreht sich der ganze Streit hinsichtlich der Hecktaschen ja nur um unterschiedliche Bau- und Umbauzustände ein und desselben Schiffes - ähnlich der rund ein dreiviertel Jahrhundert später vom Stapel gelassenen Victory, die zunächst offene Seitengalerien besaß, die dann bei ihrem großen Umbau in die heute gezeigten, trafalgershape-mäßigen, geschlossenen verwandelt wurden.

Ich weiß: Sehr viele Buchstaben und keine Bilder - trotzdem noch eine Frage zum Abschluss, betreffend die Armierung der SR: Nach meinen beschränkten Messmöglichkeiten beträgt der Innendurchmesser der schwersten Geschütze im untersten Geschützdeck beim Hellermodell ~1 mm, d.h. in Originalgröße entspräche das eiem Maß von ~ 10 cm. Leider ist mein Matheabi schon so lange zurück, dass ich die Rechenoperationen nicht mehr beherrsche, aber es müsste doch hier sicherlich Fachleute geben, die anhand des spezifischen Gewichts von Eisen (Fe) errechnen können müssten, welches Gewicht eine Eisenkugel mit 10 bis 12 cm Durchmesser besitzt und ob daher die Kanonenmodelle von Heller in etwa der Realität entsprechen. Für mein Gefühl, das sich an der Kenntnis vieler zeitgenösischer Bilddarstellungen orientiert, sind zumindest die Rohre der schwersten Kaliber zu dünn (zumindest was den Innendurchmesser betrifft) und die Lafetten zu zierlich.

So, jetzt Schluss für diesmal, viele Grüße und Ahoi für dieses tolle Forum

Janmaat/Edgar :mariinee:

Marcus Stenberg

ZitatOriginal von janmaat
zum Beitrag von hwe (S. 4 dieses threads, dat. 28.5. 2006)

Jetzt vergleicht das bitte mal mit dem Heck des Modells aus dem Musee de la Marine und dem Bausatz von Heller... geschockt verwirrt böse

In einem ist hwe auf jeden Fall Recht zu geben: Es ist schon ein gewaltiger Unterschied, ob in der Heckfront eine gerade Anzahl von Fenstern eingebaut wurde (mit der Möglichkeit, in Verlängerung des Achterstevens [mit Unterbrechung durch das Rudergatt] mittig einen starken, lotrechten Balken einzubauen, oder ob solch ein "zentrales" Bauelement  durch die ungerade Anzahl von Fenstern bautechnisch verunmöglicht wurde.

Was die Interpretation der Öffnungen zu den Seitentaschen betrifft, so bin ich mir nicht sicher, ob da die Zeichnung nicht, wie in anderen Bereichen, schlicht nicht völlig ausgeführt ist. Aber ich weiß, dass das kein belastbares Argument ist.

Klar ist auf jeden Fall, dass das große, die Heckfront krönende Giebelfeld mit der Darstellung der die Pferde des Poseidon zügelnden Göttin (die Zügel fehlen im Hellerschen Halbrelief und sind mit feinem, aufgeklebten Draht zu ergänzen) viel zu hoch angelegt ist. Dadurch kommt auch der in meinem Augen unharmonische Seiteneindruck zustande, bei dem die Oberkante des Heckspiegels das Poopdeck in der Mittschiffslinie mehr als zwei Meter (im Maßstab umgerechnet) überragt. Das hat mit schon immer zu denken gegeben, denn ich kann mir nicht vorstellen, dass man sich der Möglichkeit beraubte, vom Poopdeck aus halbwegs freie Sicht nach achtern zu haben.


Das der Heller Bausatz ein paar "Ungereimtheiten" aufweist, ist jedem hier klar. Ob es der Aufwand wert ist, diese Dinge zu ändern, muß jeder für sich selbst entscheiden. Da es bis auf die Zeichnung des Hecks, anscheinend keine Pläne oder Darstellungen aus der Zeit gibt, gibt es nur zwei Möglichkeiten. Entweder man lebt damit, historisch nicht korrekt gebaut zu haben oder man tut sich wirklich die Arbeit an. Aber es wird trotzdem nur eine Rekonstruktion bleiben, die sehr wahrscheinlich keine Ähnlichkeit mit dem Orginal hat. Die Wahrscheinlichkeit, haargenau den Originalzustand zu treffen ist sehr gering. Zuviel unbekannte Variablen, das geht einfach nicht auf.

Marcus

galeotti


Hallo, seht Euch mal den Mantel von Ludwig XIV. an. Er ist dunkelblau mit goldenen Wappenlilien. Das waren die Farben des Königs. Ebenso war der Rumpf der "la Reale" gestaltet. Möglicherweise hat man einen derart dunklen Farbton mittels beimischen von schwarz erzielt. Ich könnte mir vorstellen, dass das bei der Solail nicht anders war.
 :winken: Steffen
Galeere "la real" Schebecken, z.Z. Galeasse

galeotti


Hier ist ein zeitgenössischea Aquarell der "la reale". Der Farbton des Rumpfes ist hier ultramarin. Interessant finde ich auch, dass auf dieser Abbildung der Unterwasserrumpf holzfarbig und nicht weiß dargestellt ist.
Galeere "la real" Schebecken, z.Z. Galeasse

Marcus Stenberg

ZitatOriginal von galeotti

Hallo, seht Euch mal den Mantel von Ludwig XIV. an. Er ist dunkelblau mit goldenen Wappenlilien. Das waren die Farben des Königs. Ebenso war der Rumpf der "la Reale" gestaltet. Möglicherweise hat man einen derart dunklen Farbton mittels beimischen von schwarz erzielt. Ich könnte mir vorstellen, dass das bei der Solail nicht anders war.
 :winken: Steffen

So einfach ist es nicht ...  :D

Das Wappen aus der Zeit der Soleil mit dem Fleur de lys hat einen deutlich helleren Blauton.

Wiki

Man beachte das Bourbonenwappen an der Place de la Carrière in Nancy, schönstes hellblau. Sehr variabel, die Verwendung von Blau ...  :3:

Das die Farben des Wappens verwendet wurden, ist wesentlich plausibler, als das Outfit des Königs auf einem Gemälde. Das sind zwei verschiedene Dinge. Das Wappen ist das offizielle Logo des Königs. Die Verwendung des Logos damals, ist im Prinzip dieselbe wie heute. Die Farben sind verbindlich und werden überall dort eingesetzt, wo der König in dieser Form repräsentiert werden will. Telekom Manager rennen auch nicht zwangsläufig in magentafarbenem Outfit durch die Gegend. So gesehen zeigt das Gemälde die Mode des Königs, aber nicht die offiziellen Farben der Monarchie. Das sich die Farben je nach Herrscher mit der Zeit verändert haben, ist auch nichts besonderes. Wie die Firmenlogos verändern sich die Wappen und werden geringfügig bis radikal verändert.

Die Reale ist eine Prunkgaleere und kein Kriegschiff. Das dort die teuersten Materialen verwendet wurden, ist naheliegend. Der Zweck ist ein ganz anderer und die Gefahr, im Seegefecht zerstört zu werden, ist bei der Reale gleich null. Da kann man mit ruhigem Gewissen protzen und das teuerste nehmen, was die damalige Zeit zur Verfügung hatte.

Wenn sich einer Sonnenkönig nennt, dann ist es ziemlich sicher, das er sich am Blau des Himmels orientiert, das die Sonne umfasst. Das Blau des Himmels hat einen hohen Cyan Anteil hat, was dem Azurit und seinem Hang ins Türkise sehr ähnlich ist. Sonnenkönig und das dunkle Blau, das du meinst, macht keinen Sinn. Zur damaligen Zeit, war alles was die Natur dem Menschen zeigte, von wesentlich höherer Bedeutung, als heute. Und ich denke, man hat sich das als Vorbild genommen.

galeotti

ZitatOriginal von Marcus Stenberg
ZitatOriginal von galeotti
Man beachte das Bourbonenwappen an der Place de la Carrière in Nancy, schönstes hellblau. Sehr variabel, die Verwendung von Blau
Das Wappen hat mich überzeugt. :1:  Azur ist bei der Solail sehr wahrscheinlich.
Was die" Reale" betrifft, so kann ich Dir da nicht so hundertprozentig zusimmen. Sicher war sie in erster Linie ein Representationsschiff, galt aber als das Flaggschiff der Galeerenflotte und wäre bei einer großen Galeerenschlacht(die allerdings nie stattfand) auch mit in den Krieg gezogen. Die "Real" von Don Juan d'Austria war( wenn auch über 100 Jahre früher) auch reichlich mit Figuren Gold und Gemälden, aufwendig und teuer, geschmückt und wurde trotzdem in der Schlacht von Lepanto verwendet.
 :winken: Steffen
Galeere "la real" Schebecken, z.Z. Galeasse

hwe

Jungs,

ihr beamt mich gerade weg! - Was ihr in der kurzen Zeit alles gepostet habt! - Ich muss mir das erstmal alles in Ruhe durchlesen. - Wow! - Dieser Thread scheint ja doch so einigen am Herzen zu liegen!  :)  :)  :)

Ciao,

HWE
 :mariinee:

janmaat

Hallo Leute,

Zitat Markus Stenberg:

,,So einfach ist es nicht ... Das Wappen aus der Zeit der Soleil mit dem Fleur de lys hat einen deutlich helleren Blauton. Wiki Man beachte das Bourbonenwappen an der Place de la Carrière in Nancy, schönstes hellblau. Sehr variabel, die Verwendung von Blau ... ,, Zitat Ende.

Zum einen wäre zu sagen, dass das auf diesem Wappen dargestellte Blau mit Sicherheit eine jüngere Restauration ist. Zum anderen gab es damals ja noch kein bourbonisch-königsblau als überall verfügbare Farbmischung.

Zitat Anfang ,,Das die Farben des Wappens verwendet wurden, ist wesentlich plausibler, als das Outfit des Königs auf einem Gemälde. Das sind zwei verschiedene Dinge." Zitat Ende

Dem ist wohl zuzustimmen, aber aus anderen Gründen als den von Markus angeführten. Es dürfte wohl daran liegen, dass Stoff färben und Holz oder Metall mit Ölfarbe anmalen zwei verschiedene Paar Stiefel sind!

Als gelerntem Historiker wird mir hier z.T. zuviel aus Hörensagen, Vermuten und scheinbar logischen Parallelen zu heutigen (zweckrationalen) Verhältnissen argumentiert. Gerade wenn es um die Zurschaustellung von Glanz und Macht des Königs ging, war die Frühe Neuzeit (wie schon das Mittelalter) eben alles andere als kaufmännisch-bürgerlich-zweckrational; vielmehr erwies offene Verschwendung ja nach außen gerade die Macht und den Nimbus des Adligen, des Königlichen!

Ein typisches Beispiel für diese unzulässige, von heutiger Zweckrationalität geprägten Sichtweise: Zitat Markus: ,,Die Reale ist eine Prunkgaleere und kein Kriegschiff. Das dort die teuersten Materialen verwendet wurden, ist naheliegend. Der Zweck ist ein ganz anderer und die Gefahr, im Seegefecht zerstört zu werden, ist bei der Reale gleich null. Da kann man mit ruhigem Gewissen protzen und das teuerste nehmen, was die damalige Zeit zur Verfügung hatte." Zitat Ende Das ist schlicht Humbug! (sorry, ist aber so).

Klar zum Ausdruck kommt die nichtkaufmännische, nichtbürgerliche, nichtzweckrationale Haltung im berühmten Ausspruch von Jean Baptiste Colbert (1619 – 1685), dem Marineminister Ludwigs XIV., unter dessen Ägide ja auch die SR mit ihrem reichen Schmuck versehen wurde: ,,Nichts ist eindrucksvoller, nichts festigt die Majestät eines Königs mehr, als wenn seine Schiffe den erlesensten Schmuck tragen, den man je auf hoher See erblickte." Die Unterscheidung zwischen prunkvoll ausgestatteten Repräsentationsschiffen und solchen mit einfacherer Ausstattung für Seegefechte ist also eine unsinnige (und unzulässige) Rückübertragung heutiger, zweckorientierter, ,,praktischer" Haltungen und Ansichten.

Trotzdem verschloss man sich rechnerisch-kaufmännischen Ansichten nicht völlig. Am deutlichsten zeigt sich das vielleicht daran, dass bei einem nicht überraschend begonnenen Gefecht, sondern einer vorbereiteten Schlacht m.W. die Glasfenster des Hecks ebenso tief unten im Raum verstaut wurden wie auch die kostbaren Laternen. Ein Modellzustand, der die SR gefechtsbereit zeigt, müsste also wohl strenggenommen ohne ,,Verglasung" der Fenster und vor allem mit abgenommenen Hecklaternen gezeigt werden. Denn zumindest ohne Hecklaternen wird die SR auch auf dem ein Jahr nach dem Ereignis von Ludolf Backhuisen angefertigten Gemälde der Schlacht von Barfleur vom 16. Mai 1692 gezeigt:  http://www.nmm.ac.uk/mag/pages/mnuExplore/PaintingDetail.cfm?letter=b&ID=BHC0331 .

Interessant an diesem Gemälde, das im Zentrum die SR  zeigt, ist die gerade Anzahl der Heckfenster und eine, wenn die geringe Bildauflösung nicht trügt, offene Seitengalerie. Über die "dokumentarische" Verlässlichkeit Backhuisenscher Schiffsdarstellungen heißt es in der Bilderläuterung des National Maritime Museums: ,,He was a contemporary of van de Velde the Younger and shared with him a concern for painting ships with accuracy and understanding."

Angesichts der Abmessungen des Gemäldes (1574.8 x 2336.8 mm) wäre es sicher interessant, einen Gemäldeausschnitt der SR in Originalgröße betrachten zu können

Noch etwas ist interessant auf diesem Gemälde, nämlich der Blauton der Heckbemalung des sinkenden französischen Schiffes im linken Bildvordergrund. Ein Hellblau ist das auf keinen Fall, sondern mindestens ein dunkles Mittelblau!

Zitat Markus: ,,Wenn sich einer Sonnenkönig nennt, dann ist es ziemlich sicher, das er sich am Blau des Himmels orientiert, das die Sonne umfasst. Das Blau des Himmels hat einen hohen Cyan Anteil hat, was dem Azurit und seinem Hang ins Türkise sehr ähnlich ist. Sonnenkönig und das dunkle Blau, das du [gemeint ist Galeotti] meinst, macht keinen Sinn." Zitat Ende. Das ist ja nun nichts als reine Spekulation. Außerdem – je nach Jahreszeit hast Du sommers einen eher blassen, hellblauen Himmel, im Frühjahr oder vor allem im Spätherbst oder etwa im Winter im Hochgebirge einen satt ,,dunkel"blauen Himmel. Und dann ist es noch ein gewaltiger Unterschied, ob Du blauen Himmel unter nördlichen oder südlicheren Breiten erlebst.

Soviel für heute. Nochmals erinnern möchte ich an die in meinem letzen Beitrag zu diesem thread gestellte Frage: Kann jemand unter Euch mal berechnen, welchen Durchmesser eine 36-pfündige Eisenkugel hatte? Ich halte die Rohrinnendurchmesser der so kalibrierten Geschütze des Hellermodells (etwas mehr als 1mm, aber weniger als 1,5 mm) einfach für zu gering (aber da kann ich mich täuschen, ist mehr so ein unpräzises und unwissenschaftliches Bauchgefühl).

Neu- und antwortgierige Grüße :winken:

Janmaat :mariinee:

Marcus Stenberg

ZitatOriginal von janmaat
Hallo Leute,

Zitat Markus Stenberg:

,,So einfach ist es nicht ... Das Wappen aus der Zeit der Soleil mit dem Fleur de lys hat einen deutlich helleren Blauton. Wiki Man beachte das Bourbonenwappen an der Place de la Carrière in Nancy, schönstes hellblau. Sehr variabel, die Verwendung von Blau ... ,, Zitat Ende.

Zum einen wäre zu sagen, dass das auf diesem Wappen dargestellte Blau mit Sicherheit eine jüngere Restauration ist. Zum anderen gab es damals ja noch kein bourbonisch-königsblau als überall verfügbare Farbmischung.

Ist mir klar, das die Darstellung der Wappen nicht gerade die beste ist. Wenn ich davon ausgehe, das die Farben von einem Vorbild entnommen wurden, dann ist seit 1376 der Blauton heller. Die Flagge von Quebec hat auch diesen Farbton (Pantone 293), den ich von der Helligkeit als richtig betrachte. Quebec oder Neufrankreich, wie es damals genannt wurde, war französische Kolonie zur Zeit Louis XIV. Der Fleur de lys und die Farbe der Flagge bezieht sich auf die historischen Wurzeln. Die Tricolore hat ein dunkles Blau, ich denke, man hat sicher nicht nach der Revolution die Farben des Königs in der neue Flagge haben wollen und deswegen einen dunkleren Farbton genommen. Ist zwar nur eine Vermutung, aber durchaus nicht abwegig.

ZitatOriginal von janmaat
Als gelerntem Historiker wird mir hier z.T. zuviel aus Hörensagen, Vermuten und scheinbar logischen Parallelen zu heutigen (zweckrationalen) Verhältnissen argumentiert. Gerade wenn es um die Zurschaustellung von Glanz und Macht des Königs ging, war die Frühe Neuzeit (wie schon das Mittelalter) eben alles andere als kaufmännisch-bürgerlich-zweckrational; vielmehr erwies offene Verschwendung ja nach außen gerade die Macht und den Nimbus des Adligen, des Königlichen!

Ein typisches Beispiel für diese unzulässige, von heutiger Zweckrationalität geprägten Sichtweise: Zitat Markus: ,,Die Reale ist eine Prunkgaleere und kein Kriegschiff. Das dort die teuersten Materialen verwendet wurden, ist naheliegend. Der Zweck ist ein ganz anderer und die Gefahr, im Seegefecht zerstört zu werden, ist bei der Reale gleich null. Da kann man mit ruhigem Gewissen protzen und das teuerste nehmen, was die damalige Zeit zur Verfügung hatte." Zitat Ende Das ist schlicht Humbug! (sorry, ist aber so).

Klar zum Ausdruck kommt die nichtkaufmännische, nichtbürgerliche, nichtzweckrationale Haltung im berühmten Ausspruch von Jean Babtiste Colbert (1619 – 1685), dem Marnieminister Ludwigs XIV., unter dessen Ägide ja auch die SR mit ihrem reichen Schmuck versehen wurde: ,,Nichts ist eindrucksvoller, nichts festigt die Majestät eines Königs mehr, als wenn seine Schiffe den erlesensten Schmuck tragen, den man je auf hoher See erblickte." Die Unterscheidung zwischen prunkvoll ausgestatteten Repräsentationsschiffen und solchen mit einfacherer Ausstattung für Seegefechte ist also eine unsinnige (und unzulässige) Rückübertragung heutiger, zweckorientierter, ,,praktischer" Haltungen und Ansichten.

Trotzdem verschloss man sich rechnerisch-kaufmännischen Ansichten nicht völlig. Am deutlichsten zeigt sich das vielleicht daran, dass bei einem nicht überraschend begonnenen Gefecht, sondern einer vorbereiteten Schlacht m.W. die Glasfenster des Hecks ebenso tief unten im Raum verstaut wurden wie auch die kostbaren Laternen. Ein Modellzustand, der die SR gefechtsbereit zeigt, müsste also wohl strenggenommen ohne ,,Verglasung" der Fenster und vor allem mit abgenommenen Hecklaternen gezeigt werden. Denn zumindest ohne Hecklaternen wird die SR auch auf dem ein Jahr nach dem Ereignis von Ludolf Backhuisen angefertigten Gemälde der Schlacht von Barfleur vom 16. Mai 1692 gezeigt:  http://www.nmm.ac.uk/mag/pages/mnuExplore/PaintingDetail.cfm?letter=b&ID=BHC0331 .

Danke, für diese Information. Die waren damals tatsächlich bescheuerter als ich dachte ...  :D

Das mit den Laternen ist mir gar nicht aufgefallen, entbehrt aber nicht einer gewissen Komik.
"Bringt die Lampen und die Fenster in Sicherheit, gleich gibt hier es Kleinholz hier" ...  *äußerst breit grins*
Jetzt trau ich ihnen auch zu, das sie die Reling mit Gold verziert haben, da war ich immer ein wenig skeptisch.


ZitatOriginal von janmaat
Interessant an diesem Gemälde, das im Zentrum die SR  zeigt, ist die gerade Anzahl der Heckfenster und eine, wenn die geringe Bildauflösung nicht trügt, offene Seitengalerie. Über die "dokumentarische" Verlässlichkeit Backhuisenscher Schiffsdarstellungen heißt es in der Bilderläuterung des National Maritime Museums: ,,He was a contemporary of van de Velde the Younger and shared with him a concern for painting ships with accuracy and understanding."

Angesichts der Abmessungen des Gemäldes (1574.8 x 2336.8 mm) wäre es sicher interessant, einen Gemäldeausschnitt der SR in Originalgröße betrachten zu können

Noch etwas ist interessant auf diesem Gemälde, nämlich der Blauton der Heckbemalung des sinkenden französischen Schiffes im linken Bildvordergrund. Ein Hellblau ist das auf keinen Fall, sondern mindestens ein dunkles Mittelblau!

Zitat Markus: ,,Wenn sich einer Sonnenkönig nennt, dann ist es ziemlich sicher, das er sich am Blau des Himmels orientiert, das die Sonne umfasst. Das Blau des Himmels hat einen hohen Cyan Anteil hat, was dem Azurit und seinem Hang ins Türkise sehr ähnlich ist. Sonnenkönig und das dunkle Blau, das du [gemeint ist Galeotti] meinst, macht keinen Sinn." Zitat Ende. Das ist ja nun nichts als reine Spekulation. Außerdem – je nach Jahreszeit hast Du sommers einen eher blassen, hellblauen Himmel, im Frühjahr oder vor allem im Spätherbst oder etwa im Winter im Hochgebirge einen satt ,,dunkel"blauen Himmel. Und dann ist es noch ein gewaltiger Unterschied, ob Du blauen Himmel unter nördlichen oder südlicheren Breiten erlebst.

An einem wolkenlosen Tag sieht das schönste Blau so aus:



Die Farbe der Sonne war immer schon das Gold, die Farbe des Himmels ist dieses mittelhelle blau. Da bin ich mir ziemlich sicher, das dies der Ursprung ist.

Ich gehe davon aus, das mit der Auschmückung Künstler beauftragt waren, die ein Gefühl für Farben haben, die wissen, welcher Farbton harmoniert mit einem anderen. Bei der farblichen Gestaltung gehe ich so vor, ich versuche die Farben so zu kombinieren, das sie miteinander harmonieren. Da es nicht so viele Möglickeiten gibt, die gut miteinander können, ist die Wahrscheinlichkeit damit in die Nähe der Realität zu kommen, recht hoch.

Marcus

Marcus Stenberg

Die Bilder zeigen die Repilca der Götheborg, ein kleines schwedisches Handelsschiff. Gebaut wurde das Original in der Mitte des 18. Jahrhunderts.

Bilder der Götheborg

Die Bilder zeigen die Götheborg vor der kleinen Weltreise nach Asien und Australien und am Ende der Reise. Man kann schön sehen, wie sich die Farben durch Wetter, Seewasser und Sonne verändert haben und die Spuren, die der Anker an der Bordwand hinterlassen hat. Das Holz war am Anfang ein mittelhelles nußbraun, am Ende der Reise ein dunkles, fleckiges braun. Das blau ist auch nicht weit weg, von meinen Vorstellungen ...  :P

Die Barkhölzer der Soleil dürften dem Farbton der Bordwand entsprechen, ich habe doch den Verdacht, die Soleil war an den Seiten ockerfarben eingefärbt. Das fleckige braun schaut ziemlich bescheiden aus, an einem so prunkvollen Schiff.

Hier noch ein Album mit Fotos von Flickr:

Götheborg Flickr Album

Marcus

janmaat

Hallo Marcus,

danke für den Link zu den tollen Bildern!  :klatsch: Wie man darauf auch erkennen kann: Sooo ganz babypopohaft glatt war ein beplankter Rumpf offenbar doch nicht.

Und so "versaut" werde ich die Holzbereiche meiner SR sicher nicht bemalen - Authentizität hin oder her. :2:

Schade nur, dass die Schweden ihren wunderschönen Nachbau mit einem völlig unhistorischen Trotman-Anker (der laut Mondfeld, S. 202, erst ab 1850 zum Einsatz kam) verunstaltet haben; aber vielleicht geschah das aus Gründen größerer Ankersicherheit oder wegen marinetechnischer Vorschriften.

Gruß

Edgar/Janmaat  :mariinee:

janmaat

P.S.: Noch eine Frage zur Position der Ringösen auf den Innenseiten der Pfortendeckel. Ich nehme an, dass sie zum Verschließen der Deckel von innen mit durchgesteckten Rundhölzern dienten. Ist es dann aber nicht verkehrt, wenn die Ringe "parallel" zur Bordwand bzw. zum Lukendeckel angebracht sind? Müsste die Richtung der die Ösen haltenden Ringbolzen nicht vielmehr um 90° gedreht sein?

Gruß

Edgar/janmaat :mariinee:

hwe

Hallo Janmaat,

ich kann dir zu den Heller Kanonen so viel sagen, dass ich da extrem vorsichtig sein würde, die einfach so zu verwenden!

Nach meinen Informationen waren die Geschütze der Soleil sehr an das Schiff optimiert aufgebaut. - Soll heissen, dass die Geschütze zur Zeit der Soleil noch zum Bug und zum Heck hin mit abnehmenden Kalibern aufgestellt wurden. - Unter anderem, um dem Effekt des "Aufbuckelns" entgegen zu wirken. - Damals senkten sich durch das Gewicht der Geschütze und die schwache Konstruktion, über eine längere Einsatzdauer, Bug und Heck etwas ab. - Damals vermutete man allerdings, dass dieser Effekt durch die Takelage verursacht wurde. - Man meinte, die Wanten des Großmastes würden das Schiff in der Mitte hochziehen... - Dem Endergebnis versuchte man trotzdem mit der Verteilung der Geschütze entgegen zu wirken.

Die Folge ist ein bunte Mischung von Geschützen auf jedem Deck. - So einfach wie zu Napoleons Zeiten, als man jedes Deck mit einer einheitlichen Lage bestückte, machte man es sich damals nicht. - Und damit ist die Heller-Bestückung auf jeden Fall auch schon mal falsch.

Hast Du die Artikel aus dem "Logbuch" des Arbeitskreis historischer Schiffbau von (Johannes ?) Gröbner?

Die sind einfach Pflichtlektüre, finde ich!

Ciao,

HWE
 :mariinee:

hwe

ZitatOriginal von janmaat
P.S.: Noch eine Frage zur Position der Ringösen auf den Innenseiten der Pfortendeckel. Ich nehme an, dass sie zum Verschließen der Deckel von innen mit durchgesteckten Rundhölzern dienten. Ist es dann aber nicht verkehrt, wenn die Ringe "parallel" zur Bordwand bzw. zum Lukendeckel angebracht sind? Müsste die Richtung der die Ösen haltenden Ringbolzen nicht vielmehr um 90° gedreht sein?

Gruß

Edgar/janmaat :mariinee:

Hallo Janmaat,

meines Wissens wurden an den Ringen nur Taue befestigt und nichts quer durchgeschoben. - Das hätte im Notfall nur aufgehalten (viel kostbare Zeit gekostet). Die wurden nur stramm verzurrt und die Lücken mit irgendwelchem Zeug halbwegs dicht gestopft.

Ciao,

HWE
 :mariinee:

Marcus Stenberg

ZitatOriginal von janmaat
Hallo Marcus,

danke für den Link zu den tollen Bildern!  :klatsch: Wie man darauf auch erkennen kann: Sooo ganz babypopohaft glatt war ein beplankter Rumpf offenbar doch nicht.

Und so "versaut" werde ich die Holzbereiche meiner SR sicher nicht bemalen - Authentizität hin oder her. :2:

Edgar/Janmaat  :mariinee:

Fotos von Replicas zu suchen, die auf dem Meere unterwegs sind, ist ein guter Weg, um die Struktur und Farbe von Holzschiffen kennen zu lernen.

Die Holzstruktur von Heller sehe ich auch nicht so negativ. Ich habe schon Eichenholz gesehen, das sehr ähnliche dunkle Muster aufweist, wie die Gravuren an den Heller Modellen.

Ich werde einen dunkleren Holzfarbton als Grundierung nehmen, dann einen helleren Farbton drüber lackieren und dann mit der guten alten Zahnpaste-Polier-Methode die dunklere Farbschicht an den Graten der Garvur vorsichtig freilegen. Vielleicht verwende ich auch drei Farbtöne, wobei nach den ersten zwei Farbschichten eine leichte Struktur reingebürstet wird und die dritte dann so wegpoliert wird, daß sie lasierend erscheint. Die Mischung der drei Farbschichten dürften dann wesentlich lebendiger sein, als alles andere. Werden wir mal experimentieren, mal guckn wie es wird.

Auch mit dem Ocker sollten da ganz tolle Effekte möglich sein. Wenn man den finalen Ockerfarbton fein wegpoliert, das der holzige Untergrund durchschimmert, dann dürfte das Ergebnis sehr authentisch wirken.

Bei den Decks kann man das schwarze Plastik ausnutzen und mit einem scharfen Messer an den Fugen einen Schnitt durch die Farbe machen, um das schwarz des Plastiks als Fugendichtung zu mißbrauchen. Damit sollte die dünne schwarze Linie von 0.1 - 0.15 mm der Fugendichtung machbar sein. Das was ich bisher gesehen habe, war viel zu dick und nicht überzeugend.

So versaut werde ich sie auch nicht bauen, meine ist gerade vor zwei Monaten in der Werft überholt worden und hat nur geringe Witterungsspuren ...  :D

janmaat

Zitathwe: meines Wissens wurden an den Ringen nur Taue befestigt und nichts quer durchgeschoben. - Das hätte im Notfall nur aufgehalten (viel kostbare Zeit gekostet). Die wurden nur stramm verzurrt und die Lücken mit irgendwelchem Zeug halbwegs dicht gestopft.

Aber dann würden ja eine oder zwei Ösen völlig genügen. Auf dem Bildern des schwed. Nachbaus, die Marcus eingestellt hat, sind aber jeweils vier Ösen auf den Deckelinnenseiten angebracht. Außerdem glaube ich nicht, dass es mehr Zeit in Anspruch nimmt, die angenommenen Rundhölzer herauszuziehen als irgendwelche Knoten zu lösen und die losen Enden der Befestigungstaue nach Öffnen der Pfortendeckel wieder zu belegen, ebenso wie die Enden der äußeren Deckeltaue, mit denen sie geöffnet wurden. Und schließlich drittens: Ein Seegefecht oder eine Schlacht, an der ein so großes Schiff beteiligt war, entspann sich doch nicht innerhalb von Sekunden oder Minuten!

Zitathwe: ... die Lücken mit irgendwelchem Zeug halbwegs dicht gestopft.
Das halte ich für eine irrige Annahme. Die Unterkanten der Geschützpforten der untersten Batterie lagen bei großen Schiffen ja doch meist mindestens rund einen Meter über der Wasserlinie (bei der SR sind es beim Hellermodell sogar knapp 2cm = 2 m) Und durch die Trempelrahmen und den Aufbau der Pfortendeckel war m.E. soviel Dichtigkeit vorhanden, dass da auch bei hohem, die Geschützpforten erreichendem Seegang wohl kaum tonnenweise Wasser eindringen konnte. Außerdem: Die zusätzliche Arbeit, bei "Klar Schiff zum Gefecht" den Dichtungsmüll zu beseitigen! Gar nicht zu erwähnen den zusätzlichen Zeitaufwand beim Öffnen der Geschützpforten, die ja "abgedichtet" sicher erheblich schwerer gängig waren.

Zitathwe: ich kann dir zu den Heller Kanonen so viel sagen, dass ich da extrem vorsichtig sein würde, die einfach so zu verwenden!
[...]  
Zitathwe: Und damit ist die Heller-Bestückung auf jeden Fall auch schon mal falsch

Für das unterste Batteriedeck sieht der Hellerbausatz sehr wohl eine gemischte Bestückung vor: Während an den Seiten 24-Pfünder aufgestellt sind, sind die bugwärts erste sowie die hinterste Pforte und außerdem die vier Heckpforten mit leichteren 18-Pfündern bestückt.

Mir geht es aber um eine andere Frage:
Zitatjanmaat: Soviel für heute. Nochmals erinnern möchte ich an die in meinem letzen Beitrag zu diesem thread gestellte Frage: Kann jemand unter Euch mal berechnen, welchen Durchmesser eine 24-pfündige Eisenkugel hatte? Ich halte die Rohrinnendurchmesser der so kalibrierten Geschütze des Hellermodells (etwas mehr als 1mm, aber weniger als 1,5 mm) einfach für zu gering (aber da kann ich mich täuschen, ist mehr so ein unpräzises und unwissenschaftliches Bauchgefühl).
Ich würde es ja anhand der Formel für den Kugel-Rauminhalt und dem Gewicht von Eisen pro cm³ selbst machen, aber mein Mathe- und Chemie-Abi liegt 35 Jahre zurück und beruflich habe ich mit diesem Fach nichts mehr zu tun.

OK, soweit bin ich gekommen: Dichtigkeit von Eisen: 7874 kg/m³; das sind 78,74 gr/cm³; Formel für den Rauminhalt einer Kugel: 4/3 pi r², dh, es müsste die Gleichung gelöst werden: 4/3 x pi x r² = 78,74 cm³. Wie erhalte ich r?  ?(

 Ahoi

Janmaat/Edgar :mariinee:

janmaat

ZitatOK, soweit bin ich gekommen: Dichtigkeit von Eisen: 7874 kg/m³; das sind 78,74 gr/cm³; Formel für den Rauminhalt einer Kugel: 4/3 pi r², dh, es müsste die Gleichung gelöst werden: 4/3 x pi x r² = 78,74 cm³. Wie erhalte ich r? verwirrt

Ist natürlich ein Fehler drin: Es fehlt der Schritt: 24 lb =12 kg; 12000 gr : 78,74 gr = 152, dh. eine 24-pfündige Eisen-Kanonenkugel besaß einen Rauminhalt von 152 cm³ Nach der obigen Formel hieße die Rechnung dann: 4/3 x pi x r² = 152 cm³

Übrigens, gibt es hier denn keine editierfunktion? Hab sie nicht gefunden. :mariinee:

oZZy

@ janmaat: nimm derweil diesen button zum editieren ;)

ozzy :winken:
youtube.com/watch?v=BU9w9ZtiO8I 
youtube.com/watch?v=rCg-wE1d2Q0

janmaat

Danke ozzy, aber ich hab mir schon anders geholfen! :winken:

Übrigens, off the topic: Ich fände es gerade bei solchen umfangreichen threads hilfreich, wenn die Beiträge automatisch mit 1 beginnend fortlaufend durchnummeriert würden. Das würde manches Zitieren überflüssig machen, indem man einfach auf Beitrag Nr. nn verweisen könnte.

Grüße
Janmmat :mariinee:

Falko

ZitatOriginal von janmaat
ZitatOK, soweit bin ich gekommen: Dichtigkeit von Eisen: 7874 kg/m³; das sind 78,74 gr/cm³; Formel für den Rauminhalt einer Kugel: 4/3 pi r², dh, es müsste die Gleichung gelöst werden: 4/3 x pi x r² = 78,74 cm³. Wie erhalte ich r? verwirrt

Ist natürlich ein Fehler drin: Es fehlt der Schritt: 24 lb =12 kg; 12000 gr : 78,74 gr = 152, dh. eine 24-pfündige Eisen-Kanonenkugel besaß einen Rauminhalt von 152 cm³ Nach der obigen Formel hieße die Rechnung dann: 4/3 x pi x r² = 152 cm³
Es muss übrigens r³ heissen und 1cm³ Eisen wiegt nur 7,8gr;
dann ergibt sich ein Radius von rund 7,15cm.
Da 24 pounds aber nur 10,890 kg entsprechen ist
ein Radius von 6,95cm wahrscheinlicher.
(Erstaunlich was 2mm ausmachen, gell)
Mondfeld gibt übrigens in seinem Buch über Schiffsgeschütze
den Durchmesser der Bohrung für 24Pfünder
zwischen 14,5 und 15cm an.
:winken: Peter

janmaat

Hallo Peter,

besten Dank für deine Mühe! :P  Da habe ich mich in der Vorbereitung der Rechnung ja glatt um eine Zehnerstelle vertan. Aber wäre ja auch ein wenig heftig, wenn der cm³ Eisen soviel wie eine dreiviertel Tafel Schokolade wiegen würde :rolleyes:

Aber mit deiner Rechnung kommt das dann bei den fraqnzösischen Vierundzwanzigpfündern (ich weiß übrigens nicht, wieviel das französische Pfund wog) der Soleil Royal doch einigermaßen hin : Habe eben nochmals mit Lupe den Durchmesser zu messen versucht und komme auf etwa 1,2 - 1,3.

Nochmals vielen Dank und ahoi

Edgar :mariinee:

janmaat

Nochmals zur SR und zu Edmond Pâris:

Ich weiß nicht, ob wir dasselbe Buch meinen, aber in meinem Exemplar von Pâris, Segelkriegsschiffe des 17. Jahrhunderst. Rostock (Hinstorff) 1975 zeigen die beiden einzigen dort reproduzierten Photos der SR - die von 1690 auf Tafel VI B (nach S.88 [achtundachtzig - ich krieg bei den Zahlen dafür den albernen Smily nicht weg]) und die von 1700 auf Tafel VII B (nach S. 104) eindeutig offene Seitengalerien. Wenn das Heller in seinem Modell auf bekannte Weise anders gemacht hat, ist das der Firme vorzuwerfen, aber wie hwe Pâris einen "hemdsämeligen Umgang" mit der Materie vorzuwerfen, finde ich doch etwas nassforsch. Was nichts daran ändert, dass ich größtes Interesse  und allen Respekt vor deinen Beiträgen und speziell für deinem Baubericht habe. :respekt:

Sicherlich werden Pâris Fehler unterlaufen sein - angesichts der komplizierten Materie und der schwierigen Quellenlage (ein Original existiert nicht) wird das jedem, der je mit wissenschaftlicher Recherche zu tun hatte, einleuchten. Daraus zu schließen, Pâris habe nicht wissenschaftlich gründlich, sondern "hemdsämelig" gearbeitet, finde ich verwegen. Zumal nicht zu vergessen ist, dass Pâris seine Forschungen vor über hundert Jahren betrieb und die Wisssensgrundlage, auf der der aufbauen konnte, ungleich geringer war, als für uns Heutige!

Als Historiker weiß ich sehr wohl, wie schwer es manchmal ist, aus unzureichender Quellenlage die richtigen Schlüsse zu ziehen. Demungeachtet sind auch mir der eine oder ander Fehler aufgefallen. So zum Beispiel in der Draufsicht auf das unterste Batteriedeck der Royal Louis (Louis XV; ein früheres Schiff dieses Namens als der von Heller angebotenen Bausatz eines Kriegsschiffes aus dem späten 18. Jahrhundert.) auf S. 70/71. Dort wird die Positionierung der Luke zum Kabelgatt (ecoutille de la fosse aux cables, Fig. 3) zwischen (!!!) erster und zweiter Ankerbeting gezeigt. M.E. müsste das Kabelgatt aber doch heckwärts nach (!!!) der zweiten Ankerbeting kommen, oder? Welchen Sinn machte sonst eine zweite Beting? Im Längsschnitt durch die Royal Louis (Tafel V A, nach S. 72) läuft das Ankerkabel ja auch richtig erst nach der heckwärts zweiten Beting hinab ins kurz vor dem Großmast, fast mittschiffs gelegene Kabelgatt.

Auf jeden Fall, wer den oben zitierten Band aufmerksam durchblättert, wird anhand der vielen Zeichnungen von Heckseitenansichten finden, dass im letzten Viertel des 17, Jahhunderts im französischen Kriegschiffbau offensichtlich beides gebräuchlich war: offene Seitengalerien ebenso wie geschlossene Hecktaschen. Und wie ich bereits in einem früheren Beitrag zu diesem thread schrieb: Die SR wurde 1686 völlig umgebaut. Immerhin denkbar, dass damals ursprünglich geschlossene Seitentaschen (wie beim Heller-Modell) in offene Galerien (so das Modell für den Zustand um 1690 bei Pâris) verwandelt wurden. Es wäre dies also ein umgekehrter Vorgang wie bei der Victory, deren offene Seitengalerien beim großen Umbau geschlossen wurden.

Wenn man der Darstellung von Backhuisen glauben schenken darf, besaß die SR jedenfalls in der Schlacht von Barfleur 1692 offene Seitengalerien. Bemerkenswert ist auf dieser Darstellung der SR auch, dass die Seitenwände der Kampagne oberhalb des mittleren Batteriedecks nicht wie beim Hellermodell durchgängig blau gemalt waren, sondern unter der abschließenden Reling einen ockerbraunen Streifen zeigen. Hier nochmals der Link zum Gemälde der Schlacht, das im National Maritime Museum vorhanden ist: http://www.nmm.ac.uk/mag/pages/mnuExplor...er=b&ID=BHC0331 .

Bei nochmaligem Betrachten des Backhuisenschen Gemäldes (das in der Vergrößerung leider eine lausige Auflösung hat) fällt mir auf, dass dort die SR nur zwei Balkone zu haben scheint (???) und das Längen-Breite-Verhältnis für das heckkrönende Halbrelief  deutlich von allen mir bisher bekannten Abbildungen und Modellvorschlägen abweicht (viel mehr Breite im Vergleich zur Höhe).

Übrigens, noch etwas: Auf dem Deckelbild meines in den 90er Jahren erworbenen SR-Bausatzes von Heller (das das ursprüngliche Deckelbild  mit bausatzgetreuer Darstellung ablöste) sind die Seitengalerien im Unterschied zur tatsächlichen Bausatzversion unter Weglassung der beim Heckteil des Hellerbausatzes modellierten Türen offen (!!!) dargestellt! :5:  

Jetzt noch eine Frage an hwe: Du hattest in einem früheren Beitrag zu diesem thread geschrieben, dass Du am Ende desselben ein Quellen- und Literaturverzeichnis anfügen würdest. Das hast Du dann offenbar vergessen oder unterlassen. Ich glaube, ich spreche nicht nur für mich, wenn ich die höfliche Bitte an Dich richte, das nachzuholen, falls es deine Zeit erlaubt.

Apropos Literatur: Pâris erwähnt in dem genannten Band eine ,,Encyclopédie maritime" als Quelle. Kennt jemand vielleicht die kompletten bibliograhischen Angaben zu diesem Werk? Googeln nach diesem Begriff führte nicht zum Erfolg.

Apropos Literatur II: Du, hwe, fragtest mich, ob ich die Artikel von Herrn Gröbner im Logbuch kenne. Leider nein, aber vielleicht könntest Du mir gegen Kostenersatz Kopien zukommen lassen? Es würde mich wirklich brennend interessieren, da ich selbst mich mit Respekt und Neugier meinem Heller-Bausatz der SR annähere.

Ahoi

Edgar :mariinee:

hwe

Hallo Edgar,

ZitatOriginal von janmaat
Nochmals zur SR und zu Edmond Pâris:

Ich weiß nicht, ob wir dasselbe Buch meinen, aber in meinem Exemplar von Pâris, Segelkriegsschiffe des 17. Jahrhunderst. Rostock (Hinstorff) 1975
Ich habe es gerade mal eben gecheckt. - Ja, wir reden vom selben Buch. Bei mir sind die Tafeln an derselben Stelle und ich kann nachvollziehen was Du meinst.
Zitatzeigen die beiden einzigen dort reproduzierten Photos der SR -
die von 1690 auf Tafel VI B (nach S.88 [achtundachtzig - ich krieg bei den Zahlen dafür den albernen Smily nicht weg])
Das hast Du nett formuliert. - Es wäre schön, wenn es Photos der SR gäbe. - Die gibt es aber nicht. - Was Du meinst, sind Fotos von Modellen im Musee de la Marine in Paris. - Da war ich schon und ich habe auch eine Reihe von Fotos gemacht (unter anderem von der SR). Die Fotos kannst Du hier
 betrachten.

Auf der Tafel VI B sieht man genau eines dieser Modelle. Es soll die SR von 1690 zeigen. - Wenn das so stimmt und sie 1686 umgebaut wurde, ist es nicht mehr die SR von 1669, wie im Bausatz von Heller behauptet. - Eben wegen des Umbaus. - Übrigens sieht das Heck der SR auf dem Gemälde von 1693 über die Schlacht von Barfleur (Backhuisen) nochmal vollkommen anders aus...  

Was die Smileys angeht: Das muss man einfach lernen. Der Smiley, der dich geärgert hat, ist der hier: 8)
Der besteht einfach aus einer 8 mit einer Klammer ) direkt dran. Lässt man zwischen den Beiden eine Lücke, werden sie auch nicht zum Smiley:  8 )  - Wenn Du also einfach "Seite 88" in Klammern schreiben willst (ohne Smiley) musst Du nur ein Leerzeichen einfügen. - So: (Seite 88 ) - Wenn Dich nochmal ein Smiley nervt: Einfach ein Leerzeichen dazwischen tun!
Zitatund die von 1700 auf Tafel VII B (nach S. 104) eindeutig offene Seitengalerien. Wenn das Heller in seinem
Hossa! - Jetzt galloppieren wir aber wieder auf einer fremden Weide!

Die SR von 1700 hat - außer dem Namen - NICHTS mit der von 1669 zu tun!

Die SR von 1669 wurde 1692 bei Barfleur versenkt!

Die von 1700 ist ein komplett neues Schiff und interessiert in diesem Zusammenhang nicht und darf auch nicht herangezogen werden! - Okay?

Das ist ein Fehler, den Viele gerne machen. - Das Paris-Buch ist gestopft voll mit Zeug, das einfach nicht direkt zusammengehört. - Und wenn dann auch noch irgendwo derselbe Name dransteht, ist man schnell geneigt zu glauben es handele sich um dasselbe Schiff. - Ist es aber nicht! - Es gab, glaube ich, FÜNF Soleil Royals. - Wir sollten uns auf eine einigen, Okay? ;) - Dass die dann auch noch umgebaut wurde, steht nochmal auf einem anderen Blatt...
ZitatModell auf bekannte Weise anders gemacht hat, ist das der Firme vorzuwerfen, aber wie hwe Pâris einen "hemdsämeligen Umgang" mit der Materie vorzuwerfen, finde ich doch etwas nassforsch. Was nichts daran ändert, dass ich größtes Interesse  und allen Respekt vor deinen Beiträgen und speziell für deinem Baubericht habe. :respekt:
Vielen Dank für deinen Respekt!  :1: - Wenn ich schreibe, Admiral Paris war etwas "hemdsärmelig", dann
finde ich, habe ich recht. - Zu seiner Zeit war der gute Admiral sicher so etwas wie ein Pionier auf diesem Gebiet. Als solcher hat er einfach alles zusammengeklaubt, was er finden konnte und irgendwie zusammengestopselt, wie er meinte, dass es passen könnte. - So wie das ein Hobbyist heute auch macht, wenn er mit der Materie anfängt. Leider hatte er niemanden, der ihm gesagt hat, was eine wissenschaftliche Vorgehensweise ist, und deswegen trägt seine Materialsammlung nicht zu Unrecht den Titel: "Souveniers de la Marine". - Eine Souvenier-Sammlung also. - Als solche sollte man seine Arbeit auch betrachten. Dann kommt man auch am besten damit klar.
ZitatSicherlich werden Pâris Fehler unterlaufen sein - angesichts der komplizierten Materie und der schwierigen Quellenlage (ein Original existiert nicht) wird das jedem, der je mit wissenschaftlicher Recherche zu tun hatte, einleuchten. Daraus zu schließen, Pâris habe nicht wissenschaftlich gründlich, sondern "hemdsämelig" gearbeitet, finde ich verwegen. Zumal nicht zu vergessen ist, dass Pâris seine Forschungen vor über hundert Jahren betrieb und die Wisssensgrundlage, auf der der aufbauen konnte, ungleich geringer war, als für uns Heutige!
Bitte nicht aufregen! - Manchmal drücke ich mich gerne etwas flapsig aus. - Ich möchte damit erreichen, dass Leute, die diesem Thema nicht so nahe stehen, besser verstehen, was da in etwa passiert ist.
Ich will Admiral Paris damit auch nichts böses. - Jeder arbeitet so gut wie er kann. - Mehr war zu seiner Zeit wohl nicht drin. - Abgesehen davon verdanken die Franzosen ihm eine sehr große Sammlung von schönen Modellen.
ZitatAls Historiker weiß ich sehr wohl, wie schwer es manchmal ist, aus unzureichender Quellenlage die richtigen Schlüsse zu ziehen. Demungeachtet sind auch mir der eine oder ander Fehler aufgefallen. So zum Beispiel in der Draufsicht auf das unterste Batteriedeck der Royal Louis (Louis XV; ein früheres Schiff dieses Namens als der von Heller angebotenen Bausatz eines Kriegsschiffes aus dem späten 18. Jahrhundert.) auf S. 70/71. Dort wird die Positionierung der Luke zum Kabelgatt (ecoutille de la fosse aux cables, Fig. 3) zwischen (!!!) erster und zweiter Ankerbeting gezeigt. M.E. müsste das Kabelgatt aber doch heckwärts nach (!!!) der zweiten Ankerbeting kommen, oder? Welchen Sinn machte sonst eine zweite Beting? Im Längsschnitt durch die Royal Louis (Tafel V A, nach S. 72) läuft das Ankerkabel ja auch richtig erst nach der heckwärts zweiten Beting hinab ins kurz vor dem Großmast, fast mittschiffs gelegene Kabelgatt.
Ich habe mir die beiden Zeichnungen mal angesehen, auch wenn sie mit der SR (Thema des Threads) nichts direkt zu tun haben.

Das erste scheint mir eine zeitgenössische Zeichnung von 1692 zu sein. - Ich würde ihr daher einen sehr hohen Stellenwert einräumen.

Das zweite scheint mir eher eine Rekonstruktion von Admiral Paris zu sein. Wieso ich darauf komme? - Nun, die Zeichnungen, die ich aus dem, ebenfalls zeitgenössischen, Album de Colbert kenne, haben einen anderen Stil und eine andere Qualität. Der Längsschnitt auf S.72 ist in der Zeichen- und Drucktechnik viel moderner. Ausserdem glaube ich, dass dieser Längsschnitt schlicht falsch ist, zumindest, was die Beladung angeht. - In so gut wie allen Querschnitten, die ich kenne, ist den Ankerkabeln erheblich mehr Platz eingeräumt. - Wenn Du in der Zeichnung auf S.72 V A  die Wasserfässer (Grande cale a eau) wegnimmst und durch die Ankerkabel ersetzt, passt es besser!

Ausserdem habe ich gerade daraufhin das Album de Colbert durchgeschaut und auf Planche 31 sieht man ganz deutlich, dass das Ankerkabel ZWISCHEN den beiden Betings nach unten in den Raum geführt wird.
Diese Zeichnung bestätigt also noch einmal die Figur 3 auf Seite 70/71 im Paris. (Übrigens: Sorry, ich weiss, dass da überall Accents hingehören (Ich habe ja mal Französisch in der Schule gelernt), ich bin einfach nur zu faul, sie hier hinzumalen. - Schließlich ist das hier keine Doktorarbeit! ;) ) - Die zweite Beting
ist später weiter nach vorne gewandert. - Vermutlich, weil man bemerkte, dass sie an dieser Stelle wenig genutzt wurde. - Aber um 1690 hat man sie anscheinend einfach dort hingebaut. - Es muss ja nicht unbedingt immer alles wirklich sinnvoll gewesen sein, was unserer Vorfahren so gebaut haben... ;)
Viele Firmenchefs machen auch Blödsinn, den wir als Normalsterbliche oft nicht nachvollziehen können. ;)
Sowas gab es zu jeder Zeit!
ZitatAuf jeden Fall, wer den oben zitierten Band aufmerksam durchblättert, wird anhand der vielen Zeichnungen von Heckseitenansichten finden, dass im letzten Viertel des 17, Jahhunderts im französischen Kriegschiffbau offensichtlich beides gebräuchlich war: offene Seitengalerien ebenso wie geschlossene Hecktaschen.
Da stimme ich dir zu!
ZitatUnd wie ich bereits in einem früheren Beitrag zu diesem thread schrieb: Die SR wurde 1686 völlig umgebaut. Immerhin denkbar, dass damals ursprünglich geschlossene Seitentaschen (wie beim Heller-Modell) in offene Galerien (so das Modell für den Zustand um 1690 bei Pâris) verwandelt wurden. Es wäre dies also ein umgekehrter Vorgang wie bei der Victory, deren offene Seitengalerien beim großen Umbau geschlossen wurden.
Hier gibt es von mir ein klares NEIN. - Die SR von Heller ist eine Nachbildung des Modells von Admiral Paris in Paris. - Und als denen die Kohle ausging und sie keine Lust mehr hatten, beauftragten sie den Graveur, die Seitentaschen einfach zu zu machen. - Fertig.

Das alles hat mit dem wahren Aussehen der SR von 1669 so viel zu tun, wie eine Kuh mit dem Fliegen.

Das Heller-Modell besitzt/übernimmt auch andere Fehler des Paris-Modells in Paris, wie zum Beispiel die fehlenden Ziergitter im Vorsteven, unter der Galion. - Schau' dir einfach mal das untere Foto auf Seite 61 im Paris-Buch an. - Oder Seite 47, oben rechts (Bugdetail, Zeitgenössisch, "St. Louis", 1692) Und dann schau' dir den Bausatz an und auch das Modell in Paris. - Beiden fehlt die Verzierung im Spalt!

Nochmal: Das Heller-Modell ist eine schlechte Kopie des Modells in Paris. Punkt.

Möchtest Du noch einen Fehler des Heller-Bausatzes gegenüber dem Modell in Paris?

Schau' dir die Wölbung der Decks an. - Im Bausatz sind alle Decks plan. - Beim Modell in Paris sind die Decks aber gewölbt. - Und wenn Du dir die Zeichnungen auf Seite 96/97, oder die Zeichnungen von den Schotten auf den Seiten 102 und 104 im Paris-Buch anschaust, siehst du ebenfalls die "Aufbugt", also die Wölbung der Decks. - Ich denke, wenn man aufmerksam genug weitersucht, wird man noch einige finden...
ZitatWenn man der Darstellung von Backhuisen glauben schenken darf, besaß die SR jedenfalls in der Schlacht von Barfleur 1692 offene Seitengalerien. Bemerkenswert ist auf dieser Darstellung der SR auch, dass die Seitenwände der Kampagne oberhalb des mittleren Batteriedecks nicht wie beim Hellermodell durchgängig blau gemalt waren, sondern unter der abschließenden Reling einen ockerbraunen Streifen zeigen. Hier nochmals der Link zum Gemälde der Schlacht, das im National Maritime Museum vorhanden ist: http://www.nmm.ac.uk/mag/pages/mnuExplor...er=b&ID=BHC0331 .
Schade. Wenn ich darauf klicke, bekomme ich eine Fehlermeldung. - Liegt daran, dass der Link nicht vollständig ist. - Da dürfen keine "..." drin vorkommen!
ZitatBei nochmaligem Betrachten des Backhuisenschen Gemäldes (das in der Vergrößerung leider eine lausige Auflösung hat) fällt mir auf, dass dort die SR nur zwei Balkone zu haben scheint (???) und das Längen-Breite-Verhältnis für das heckkrönende Halbrelief  deutlich von allen mir bisher bekannten Abbildungen und Modellvorschlägen abweicht (viel mehr Breite im Vergleich zur Höhe).
Ja, das Backhuisen-Gemälde gibt mir einige zusätzliche Rätsel auf, da ich es noch nicht so lange kenne.
Aber ich habe schon vorher einige Hinweise darauf gehabt, dass das Modell in Paris (also auch das Heller-Modell) ein zu hohes Heck zeigen. - Nachdem das Backhuisen-Gemälde wohl aber erst im Jahr nach Barfleur entstanden ist (1693), zeigt es die SR vermutlich so, wie sie 1692 auch ausgesehen hat. - Also nach dem Umbau von 1686! - Das würde einiges erklären.

Jetzt stellt sich dem Modellbauer die Frage. Was will ich eigentlich bauen?

- Ein hübsches Modell, das in etwa dem entspricht, wie das Modell in Paris steht?
- Eine SR von 1669 ?
- Die SR von 1692, in der Schlacht von Barfleur?

Das sind in meinen Augen drei verschiedene Schiffe!

Genauso, wie man sich nicht hinstellen kann und sagen kann: "Ich baue DIE Constitution!" - Das geht nicht! - Die wurde so oft umgebaut und sah so unterschiedlich aus, dass es "DIE" Constitution einfach nicht gibt!
ZitatÜbrigens, noch etwas: Auf dem Deckelbild meines in den 90er Jahren erworbenen SR-Bausatzes von Heller (das das ursprüngliche Deckelbild  mit bausatzgetreuer Darstellung ablöste) sind die Seitengalerien im Unterschied zur tatsächlichen Bausatzversion unter Weglassung der beim Heckteil des Hellerbausatzes modellierten Türen offen (!!!) dargestellt! :5:  
Ich habe noch den alten Bausatz, mit dem alten Deckelbild. Ich würde mich freuen, wenn Du das neue Deckelbild mal fotografieren und hier reinstellen könntest, damit ich weiss, wovon du sprichst.

Abgesehen davon: Deckelbilder so zuverlässig und glaubwürdig, wie jede andere Reklame auch! ("Red Bull verleiht Flüüügel!" ;) ) - Nix für ungut, aber solchen Sachen traue ich leider NULL Relevanz zu.
ZitatJetzt noch eine Frage an hwe: Du hattest in einem früheren Beitrag zu diesem thread geschrieben, dass Du am Ende desselben ein Quellen- und Literaturverzeichnis anfügen würdest. Das hast Du dann offenbar vergessen oder unterlassen. Ich glaube, ich spreche nicht nur für mich, wenn ich die höfliche Bitte an Dich richte, das nachzuholen, falls es deine Zeit erlaubt.
Ich hatte eigentlich vor, das erst ganz am Ende zu machen, wenn ich auch wirklich alles berücksichtigt habe, was ich finden konnte. - Erst wenn ich alles beisammen habe, dachte ich, macht es Sinn, diese Liste zu veröffentlichen. - Andererseits hast Du Recht und es ist einigermaßen "unfair", wenn ich sie nicht nenne und alle anderen im Dunkeln lasse. - Einige Quellen besitze ich noch nicht (das ist einer der Gründe, wieso es nicht weitergeht), da sie teuer in der Anschaffung sind und ich derzeit mein Geld für andere Dinge ausgebe(n muss).

Aber ich will gerne ein paar Tipps geben: Das Buch von Admiral ist eine Quelle. - Aber ich besitze auch das Album de Colbert, was meiner Meinung nach sehr wichtig ist, weil es zeitgenössisch ist. Weiter habe ich auch zwei Artikel von Herrn Gröbner aus dem "Logbuch", der Zeitschrift des "Arbeitskreis historischer Schiffbau". - Diese Artikel sind sehr gut recherchiert und man kann eine Menge daraus ziehen!
Sehr werfen sehr viel Licht auf diese Thematik. - Was ich mir noch zulegen möchte, sind die Bücher vom ANCRE zu dem Themenkreis. - Die Dreidecker von Tourville, usw. - Auch die Heckdarstellungen aus Holland sind eine Quelle (siehe mein Avatar). - Aktuell gibt es in Frankreich neue und in meinen Augen auch korrekte Rekonstruktionen des Hecks der Soleil Royal. - Auf der CD, die es bei den AAMM (Amies de la Musee Maritime) gibt ("La grande Armada"), sind Fotos davon enthalten. - Diese werde ich aber aus rechtlichen Gründen hier nicht einstellen. - Bitte besorge dir die CD selbst. - Kostet auch nur 5 Euro.
ZitatApropos Literatur: Pâris erwähnt in dem genannten Band eine ,,Encyclopédie maritime" als Quelle. Kennt jemand vielleicht die kompletten bibliograhischen Angaben zu diesem Werk? Googeln nach diesem Begriff führte nicht zum Erfolg.
Sorry, da muss ich im Augenblick passen. Ich vermute aber, dass es sich um ein erheblich älteres Werk handelt.
ZitatApropos Literatur II: Du, hwe, fragtest mich, ob ich die Artikel von Herrn Gröbner im Logbuch kenne. Leider nein, aber vielleicht könntest Du mir gegen Kostenersatz Kopien zukommen lassen? Es würde mich wirklich brennend interessieren, da ich selbst mich mit Respekt und Neugier meinem Heller-Bausatz der SR annähere.

Ahoi

Edgar :mariinee:

Uff. - Fertig! ;)

Ciao,

HWE
 :mariinee:

Marcus Stenberg

Eine kurze Ergänzung zur Farbfrage über das korrekte Blau bei der Bemalung der Soileil Royal.

Gerade eben war auf Arte eine Doku über die Germanen. Speziell über den Frankenkönig Chlodwig. Am Ende wurde ein Wandteppich aus dem Mittelalter gezeigt, wo eine Darstellungen des Fleur de lys  mit den drei Lilien zu sehen war. Der Wandteppich erzählt aus dem Leben von König Chlodwig I. und dürfte wegen der drei Lilien erst nach 1375 entstanden sein.

Das Blau, das bei dem Wappen am Wandteppich verwendet wurde, entspricht ziemlich genau dem Himmelsblau um die Mittagszeit, wenn man die Sonne im Rücken hat im Winkel von 45 Grad nach oben schaut.

Dunkelblau ist damit für mich gestorben, die Hinweise, das die Farben Gold/Gelb/Ocker für die Sonne und das Himmelblau, das die Sonne umfasst, für die farbliche Gestaltung des Wappens die Inspiration waren, ist naheliegend und abgehoben genug ...  :D


Nachtrag: Die Soleil Royal bleibt ein Mysterium, aber diese Farbgebung ist sensationell ...  :respekt:


janmaat

Hallo Marcus,

diese Abbildung sowie eine weitere des Bugbereichs kenne ich auch! Leider ist in dem Buch in meiner maritimen Bibliothek, in dem es abgedruckt ist (Courtlandt Canby: Geschichte der Seefahrt. Editions Rencontre and Eric Nitsche International, Lausanne 1964, S. 62  und 63) keine Herkunfts- oder Quellenangabe zu dem Original der kolorierten Zeichnung angegeben. Hast Du genauere Angaben? Vor allem darüber, aus welchere Zeit sie stammt?

 Aus meiner Kenntnis und Einschätzung könnte es sich um eine zeitgenössische Darstellung handeln (v.a. aufgrund des Rahmenwerks). Allerdings: Es kann sich kaum um die SR aus den 1690er Jahren handeln, denn erstens weisen die Hecktaschen ja Fenster auf, ein Phänomen, das - bei aller Widersprüchlichkeit der verschiedenen Darstellungen - m.W. in keiner der bildlichen Darstellungen gezeigt wird. Und zum anderen weißt die SR in der von Dir dankenswerter Weise eingestellten Abbildung nur zwei Heckbalkone auf - abgesehen das zeitnahe Gemälde zur Seeschlacht von Barfleur (1692) von Ludolf von Backhuisen, auf das ich weiter oben im thread mit Link zum Bild verwiesen habe (mein Beitrag vom 08.07.d.J.). In allen andern, mir bekannten Darstellungen der SR aus der Zeit um 1690 besitzt das Schiff aber drei Balkone übereinander.

Schließlich: Bemerkenswert ist auch, dass in der von Dir eingestellten Darstellung der Heckspiegelbereich hinter der Hütte (da, wo von hinten gesehen sich das große Halbrelief der pferdebändigenden Meeresgöttin befindet) bedeutend niedriger ist als in dem nach dem Vorbild im Musèe de la Marine gestalteten Hellerbausatz.  Außerdem trägt die Bordwand - abweichend zur SR von 1690 -  im Bereich des obersten, des Poopdecks, eine eine einfache, durchbrochene Reling, die hinten bündig mit der Oberkante des obersten Heckspiegelbereichs abschließt.  Zieht man die Linien des Schiffes gedanklich Richtung Bug, ergibt sich ein bedeutend niedrigeres Heck, als bei der SR von 1690.

Ausgehend davon, dass die SR mittschiffs drei Geschützgecks übereinander aufwies, ergibt sich im Vergleich zum Modell im Pariser Marinemuseum und zur Gestaltung des dem nachempfundenen Heller-Modells ein erstaunlich niedriger Heckaufbau, der mich an die englischen Pinass-Schiffe der Renaissancezeit erinnert!

Auffällig finde ich auch die Flachornamentik auf der Heckseite oberhalb des dritten Battereidecks, die mich mit meiner bescheidenen Stilkenntnis mehr an Renaissancemuster als an solche des Barocks denken lassen, während andere Schmuckelemente des Hecks mich eher an Louis XV als an Louis XIV erinnern. Mystreriös finde ich auch die etwas überdimensionierte, erdbraune Flächeam Heck, dort, wo normalerweise das Ruder darzustellen wäre.

Eines scheint mr jedenfalls sicher zu sein: Die SR von 1690 kann die von Dir eingestellte kolorierte Zeichnung kaum wiedergeben.

Aber das Blau ist ein guter Anhaltspunkt für die Farbgebung der entsprechenden Partien des Heller-Bausatzes!

Wie Du zutreffend formulierst:
ZitatDie Soleil Royal bleibt ein Mysterium

Falls du nicht selbst dei entsprechende Darstellung einscannen kannst, werde ich dieser Tage mal versuchen, die korrespondierende, ebenfalls äußerst interessante Darstellung der Bugpartie hier zu posten. Interessant daran ist vor allem, dass dort, trotz erstaunlichen Fehlens von Galionsspanten und anderer Galions-Bauelemente, eine durchbrochene, ornamentierte Ausfüllung des Liegerfutters (vgl. Mondfeld, S. 112 f.) gezeigt wird! Eben genau jenes Elements, desen Fehlen den Heller-Bausatz  (und auch Holzbausätze diverser Firmen) in diesem Punkt so unrealistisch wirken lässt.

Mit wissbegierigen  Grüßen an die Gemeinde und

ahoi

Edgar :mariinee: