Dioramen China im Mittelalter - Sung auf der Flucht 1276 - 1:72

[flankerfan]

Als 2009 von Italeri das Set mit chinesischer Kavallerie aus dem 13.Jh raus kam war klar, dass ich da unbedingt was draus machen musste. nur was? Ist ja für uns Langnasen schon ein etwas exotischer Themenkreis. Aber die Modellierung der Figuren ist toll, auch wenn die Vielfalt der Posen zu wünschen übrig lässt. Und wild rumkämpfen sollten sie eigentlich auch nicht. Da ich im selben Jahr auch im Urlaub in China war, entstand ein Plan, der nur schlappe 10 Jahre brauchte, bis er umgesetzt war und in einem kleinen Diorama Form annahm.

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Es gibt in China jede Menge Lotosteiche, Lotospflanzen dienen mit ihren schönen pinkfarbenen Blüten sowohl als Zierpflanzen als auch mit ihren Knollen als Gemüse, er wird seit Jahrhunderten kultiviert.

Aus Plastikpflanzen für Aquarien schnitt ich mir Blätter passenden Durchmessers zurecht und die noch vorhandene freie Ecke wurde mit Ponal verschlossen. Dann kamen Drahtstängel drunter und alles wurde grün lackiert.
Die Anzahl der Blätter gab schon mal die ungefähre Größe des Lotosteichabschnitts vor. Als Blüten nahm ich dann später Rosen aus einem Set von Busch.

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Die passende Hintergrundstory entwickelte sich erst danach. Die Anzahl Reiter war begrenzt, die Posen sollten nicht kämpferisch sein und ich baute sie daher so um, dass ich jeden Reiter einmal in etwas abgewandelter Pose hatte, ein paar der Pferde mussten aber schon doppelt verwendet werden. Die Reiter sollten eine Art Begleitung / Eskorte bilden. Was sollten sie begleiten? Am besten einen "typischen" chinesischen Reisewagen.
Dieser entstand dann aus verschiedenen Bauteilen und wurde von einem Wasserbüffel von Nikolai gezogen.

[flankerfan]

Mit einigem zusätzlichen Gepäck ist es jetzt der Reisewagen eines Beamten auf der Flucht geworden.

[flankerfan]

Als Katalysator wirkten dann 3-D gedruckte Figuren von Germania-Figuren, die Vietnamesen zum Thema haben, Dorfbewohner und Reisbauern. Die sind wunderbar gemacht und obwohl für den Vietnamkrieg gedacht, universell einsetzbar. Asiatische Reisbauern sehen seit Jahrhunderten überall ziemlich gleich aus, geflochtener Strohhut und einfachste Kittel / Hosen als Bekleidung. Damit war dann alles klar und es konnte wirklich an die finale Umsetzung gehen.

[flankerfan]

Jetzt mal zur Story:
Zum Anfang des 13. Jahrhunderts waren aus den zuvor existierenden verschiedenen Ländern auf dem Gebiet Chinas drei große Reiche, die Reiche der Sung (oder Song) im Süden, der Kin (oder Chin) im Norden und das der Hsi Hsia (auch Xi Xia) im Westen entstanden. Sie bekämpften sich gegenseitig und ignorierten dabei die Bedrohung durch die Mongolen im Norden.
Zwischen den Sung im Süden und den anderen Reichen nördlich und westlich gab es größere kulturelle Unterschiede.
Die Sung bildeten das "eigentliche" China und waren das größte und reichste Land, hatten aber zu der Zeit schon den Norden verloren und somit lag ihr Reich nun hinter dem schützenden Jangtsekiang und erstreckte sich bis Vietnam, das aber auch bereits unabhängig geworden war. Auf dem Jangtsekiang betrieben die Sung eine große Flotte mit Schaufelradschiffen als Grenzsicherung.
Die Sung waren reich und wohlhabend, liebten Prunk und glänzende Außendarstellungen - was die ärmeren Neider auf den Plan rief. Militärisch hielten die Sung sich für stark, hatten eine zahlenmäßig große (und viel Geld verschlingende) Armee sowie viele befestigte Städte und Burgen. Die Armee bestand hauptsächlich aus Infanterie und einer starken Marine, auf Kavallerie legten sie im Gegensatz zu den nördlichen Nachbarn nicht so viel Wert, da sie selber auf Grund des feucht-warmen Klimas keine gute Lage für eine Pferdezucht hatten. Sie züchteten zwar selber auch schöne Rassepferde, importierten aber die meisten Pferde aus anderen Ländern und hielten nicht viel von den kleinen struppigen Pferden ihrer Gegner. Zu ihrem Leidwesen zeigten aber ihre großen und prächtigen Rassepferde wenig Ausdauer im Krieg und die Reiter sahen darauf zwar prächtig aus, konnten aber im Kampf nicht gut gegen die wendigen kleinen und genügsamen Pferde mit den Bogenschützen der Mongolen bestehen.
1211 begann der mongolischen Angriff auf die drei verbliebenen Reiche. Zuerst Angriff auf das westliche und kleinste Reich Xi Xia, das sofort dem Angriff erlag. Danach Angriff auf die nördlichen Chin, das 1234 besiegt wurde.
1258 begann der Angriff auf das letzte verbliebene chinesische Reich der Sung im Süden und in einem erbitterten Krieg von Stadt zu  Stadt und Burg zu Burg kämpften sich die Mongolen und ihre zahlreichen Hilfstruppen vorwärts.
1279 wurde das Reich der Song endgültig erobert, nachdem eine mongolische Flotte im Mündungsbereich des Perlflusses die Flotte der Sung vernichten konnte und dabei der erst 8-jährige Kaiser Bing getötet wurde. Es wird angenommen, dass dies von der Anzahl der beteiligten Schiffe her die größte Seeschlacht in der Geschichte der Menschheit war.
Kublai Khan war damit der erste Herrscher über das neu vereinigte China und er begann danach die Invasion weiterer Staaten. Obwohl er sich bereits 1271 zum neuen Kaiser von China hatte krönen lassen, gilt erst das Jahr der Niederlage der Sung 1279 als das Gründungsjahr der neuen Yuan-Dynastie, mit Kublai Khan als deren erstem Kaiser. 1275 kam übrigens der junge Marco Polo an den Kaiserhof Kublai Khans nach Peking.
Das Diorama zeigt eine Szene, in der ein Beamter des Sung-Reiches vor den vordringenden Mongolen unter dem Schutz einer Kavallerieeskorte auf der Flucht durch das Land ist.

[flankerfan]

Nachdem nun die Figurenfrage auch noch geklärt war, konnte ich aus der Idee Reisfeld + Lotosfeld + eskortierter Reisewagen mit Reitern etwas aufbauen, das auch genügend chinesisch aussieht, ohne in zu komplexen Gebäudebau zu geraten. Die Idee war es, einen Tempeleingang am Wegesrand als natürliche Begrenzung einzubauen, dazu brauchte es nur einer Mauer mit einem der typischen runden Tore. Das ließ sich relativ einfach aus verschiedenem Schaumstoff und Kleinkram machen.



Das Tor sollte ungefähr so in der Art sein:

[vonMackensen1914]

Interesant echt, hatte letztens erst so nen kungfu Film gesehn,
Marco polo im Reich des kublai Kahn 

[flankerfan]

Alles zusammengestellt und passend bemalt sah dann schon mal so aus:

Und mit den ersten Figuren drin konnte es an die Bepflanzung gehen.

[flankerfan]

Noch herrscht Ruhe und Geschäftigkeit auf dem Lande...
Die Reispflanzen hätten etwas heller grün werden sollen, aber versaut ist versaut...

Und dann wird es für die Dörfler mal etwas interessanter, die Soldaten und der Wagen rollen ein:

[flankerfan]

Und hier noch ein paar Detailbilder:

[jeremy487]

Ist zwar nicht so mein Thema, aber sieht sehr gut und stimmig aus
Gruß Jeremy

[vonMackensen1914]

Echt klasse geworden, klasse

[Keks_nascher]

Hallo Ralf,

nicht mein Maßstab und mit der Epoche kann ich noch weniger anfangen.

Aber Vielen Dank für den tollen Beitrag, hat unheimlich Spaß gemacht ihn zu lesen und das Ergebnis find ich absolut Klasse !

Unvorstellbar, was sich auch aus diesen gruseligen Weichplastikfiguren herausholen lässt. Gleiches gilt für das Aquarienzeug. Immer wenn ich künstliche Pflanzen sehe schauderts mich, du hast die Dinger aber spitzenmäßig überarbeitet.

Ich sags einfach nochmal: Spitze 

[Flugwuzzi]

Klasse gemacht. 
Die ganze Szene ist stimmig aufgebaut und liebevoll gemalt.
Wirklich schön anzusehen 

lg
Walter

[Maesi]

Tolle Geschichte schön umgesetzt  .

Ich mag solche kleinen Storys, spuken mir mir auch öfter durch den Kopf. Verwerfe sie dann aber schnell, obgleich des großen Aufwands.

Aber eventuell kann man ja doch mal  .


Gruß Matthias

[Uwe K.]

Sieht man wirklich sehr selten, solche Dios aus dem fernen Osten.
Hast du extrem toll gemacht.
Gefällt mir unheimlich gut.
Besonders die stimmige Zusammenstellung und die vielen Details.
Sehr klasse.

[Rafael Neumann]

Versaut ist versaut ?
Von wegen:
Eine interessante Geschichte ausgedacht, diese klasse umgesetzt und das Ganze stimmig in Szene gesetzt - was will man mehr ?
Wirklich eine sehr schöne Arbeit.

Viele Grüße
Rafael

[Jensel1964]

Ich liebe solche Geschichten und wenn sie so toll umgesetzt werden, bin ich einfach nur begeistert. Ich bin jetzt in der chinesischen Geschichte nicht so bewandert (und das ist noch untertrieben), aber Du hast mir das Thema etwas näher gebracht. Danke dafür.
Das Diorama selbst ist handwerklich wirklich sehr, sehr schön. 
Da hat sich die lange Vorbereitungszeit wirklich gelohnt. Wenn Du die Reispflanzen als zu dunkel empfindest (ich würde da nicht von "versaut" sprechen) kannst Du die ja mit dem Pinsel etwas nacharbeiten.
Viele Grüße, Jens 

[flankerfan]

Danke für die Blumen, hat auch Spaß gemacht und als der Knoten mal geplatzt war, ging es gut voran. "Versaut" ist vielleicht nicht der richtige Ausdruck, sagen wir mal es gibt halt immer noch was besser zu machen...
Mit dem Pinsel Farbe drauf bringen verklebt meist die Fasern, was auch wieder doof aussieht, ich hatte die Borsten in eine relativ knallig grüne Brühe aus Acrylfarbe eingelegt und mir ein etwas hellgrüneres Ergebnis erwartet, aber vielleicht gabs im Mittelalter ja auch noch andere Sorten Reis als heute...

[Jensel1964]

Klar gab's I'm Mittelalter dunklen Reis. Heißt ja nicht umsonst "dunkles Mittelalter" .
Vielleicht hat es da auch grad geregnet und weil der Reis nass ist wirkt er natürlich dunkler

In meinem Dorf haben sie letztes Jahr übrigend nen Typen erschossen....dem fiel keine Ausrede mehr ein. Das kann mir nicht passieren 

Viele Grüße,
Jens

[aktvetos]

Schließe mich an, tolle Story, handwerklich Top.
Und vor allem, etwas das man nicht jeden Tag sieht vom Thema her.
Bin begeistert!

[T. Dürrschmidt]

Ein sehr stimmiges Diorama mit außergewöhnlichem Thema. Gefällt mir ausgesprochen gut.

[JWintjes]

Tolles Diorama! 

Besonders gut gefallen mir die Wasserpflanzen, das schaut richtig gut aus.

Eine winzige Kleinigkeit ist mir aufgefallen: die Straße bzw. der Weg schaut eher nach Neuzeit als nach Mittelalter aus - Spuren rechts und links und in der Mitte Grün ist ein Phänomen der Nach-Pferdewagen-Zeit. 

Jorit

[flankerfan]

Meinst Du, weil bei einspänniger Nutzung der Mittelstreifen auch zertrampelt war? Ist natürlich ein Detail, über das man tatsächlich mal nachdenken sollte.